Die Society im Maserati, unterwegs mit Autopilot
Wagners „Götterdämmerung“ unter Simon Rattle bei den Salzburger Osterfestspielen
Erst drohten die Berliner Philharmoniker mit der Abwanderung nach Baden-Baden. Dann wurden die Osterfestspiele wegen einer balkanischen Korruptionsaffäre zum Fall für den Staatsanwalt. Wagners „Götterdämmerung“ als heuriges Hauptwerk hat da mehr als den Beigeschmack der Wahrheit.
Im Festspielhaus merkte man nichts davon. Hochfinanz in Smoking und Abendkleid mischte sich mit langjährigen Fans des Luxusklangkörpers und ihres Chefs Simon Rattle. Anfangs glich die Vollendung des in vier Jahren nacheinander geschmiedeten „Rings des Nibelungen“ ihren Anfängen: Das Orchester röhrte wie ein chromblitzender Maserati, ohne nachhaltige Wagner-Wirkungen zu erzielen. Die technokratische Gleichgültigkeit, mit der die Verdüsterung der Musik nach Siegfrieds Rheinfahrt abgewickelt wurde, war wirklich zum Verzweifeln.
In der Mitte des ersten Akts wurde es spannend
Beim Blutsbrüderschafts-Duett jedoch schaltete der Dirigent den Autopiloten ab. Die Musik plätscherte plötzlich nicht mehr vor sich hin. Die grimmige Verzerrung der Motive trat hervor. Im Trauermarsch des dritten Akts wucherte Rattle dann mit dem Pfund der Virtuosität des Orchesters: Die strahlenden Blechbläser brachten endlich einmal heraus, wie hier der Untergang des Helden in einen Sieg umgemünzt wird.
Die Besetzung mit leichteren Stimmen blieb so unbefriedigend wie in den Vorjahren, weil sich das Große Festspielhaus dafür akustisch nicht eignet. Das Duett zwischen Siegfried und Brünnhilde, die Schwurszene und der Schluss sind ohne triumphalen Kraftgesang wirklich unerträglich, wenn das Orchester den Bizeps zeigt.
Schwache Besetzung
Der „Ring“ von Valencia bewies, dass dramatische Stimmen zu finden sind. Leider musste Ben Heppner wieder absagen. Lance Ryan, der gleichwertige Einspringer des Vorjahres, war anscheinend nicht frei. So mühte sich der metallische Stefan Vinke glanzlos durch den Siegfried. Katharina Dalayman hat eine für die Brünnhilde kaum passende Mezzofärbung. Sie sang stumpf, aber so schlecht auch wieder nicht, wie die Buhrufer meinten. Hagen war mit dem gut artikulierenden, aber von jeder Bass-Schwärze freien Mikhail Petrenko wenig zwingend besetzt. Am gesündesten wirkte noch Gerd Grochowskis Gunther.
Die Nicht-Regie von Stéphane Braunschweig sparte sich Deutung wie Bilder. Das Drama dieses „Rings“ ist ein anderes: Herbert von Karajan gründete 1967 die Osterfestspiele, um Wagners Tetralogie mit seinen Berlinern aufzuführen. Die transparente Interpretation setzte Maßstäbe. Für Rattles Plattenfirma existiert der zweite Salzburger „Ring“ überhaupt nicht.
Noch gibt es schöne Konzerte zu Ostern im Festspielhaus. Aber sie sind nicht mehr als die Vorspeise zum Souper. Wenn sich da nicht bald inhaltlich mehr bewegt, droht die Verzwergung einer ruhmvollen Vergangenheit, ehe die nächste Sponsorendämmerung diesen Societytreff ganz wegfegt.
Robert Braunmüller
Restkarten für die Osterfestspiele: Tel. 0043 6628045361
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