Die Slapstick-Komik der Aggression

„Commando“: Johnny Ramone schrieb kurz vor seinem Tod noch eine Autobiografie
Christian Jooß |
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„Commando“: Johnny Ramone schrieb kurz vor seinem Tod noch eine Autobiografie.

Ronald Reagan, Richard Nixon und Charlton Heston sind die ersten Posten auf der Liste seiner Lieblings-Republikaner. Im amerikanischen Vergleich nicht ungewöhnlich – es dürfte allerdings wenige Republikaner-Maniacs geben, die von Beruf Punk-Rock-Held sind. „Commando“ heißt die Autobiografie von Johnny Ramone, Terrorgitarrist, und wie er selber darlegt, treibende ästhetische Kraft hinter der Firma Ramones.

Als Einstieg wird erzählt, wie er im Go-Go-Club in L. A. mal Malcome McLaren, Manager der Sex Pistols, vermöbelte. Die fand er übrigens „zum Kotzen“ und tat dies Johnny Rotten auf Nachfrage genau so kund. Punk-Rock ist für Johnny Arbeitsplatz, die Lederjacken Arbeitskleidung. Bühnenshow und Musik ein maximal wirkungsvolles Konstrukt, das jedem Konzertbesucher den Wunsch einpflanzen sollte, eine eigene Band zu haben.

Im Design präsentiert sich das Buch mit eingefärbten Schwarz-Weiß-Fotos und Textstrukturierung durch große Typografie als Anlehnung an vergangene Pop-Art. Hintenraus gibt es Einblicke in Johnnys Terminkalender, eine Einschätzung bis Abrechnung mit allen Ramones-Alben und jungs-hafte Bestenlisten.

Die Sprache ist deutlich wie die Gitarrenriffs

Mit Intellektuellen redet man nicht, Intellektuelle verdrischt man – so ließe sich das auf den Punkt bringen. Auf Tour mit den Talking Heads wollen die tatsächlich Stone Henge besichtigen. Johnny bleibt im Bus und verbietet auch seiner Freundin den Kulturquatsch. Die Sprache ist deutlich wie die Gitarrenriffs. Dumm ist sie nicht: „Die Ramones lebten von ihren Aggressionen, die wir mit unserer Slapstick-Komik ausbalancierten, für die uns viele Leute mochten. Für die Öffentlichkeit löste sich die Wut so oft in Wohlgefallen auf.“

Der trinkfreudige irische Vater ist sein großer Held. Von ihm erbt er die Liebe zum Baseball. Der kleine Johnny spielt selber. Um dem Sohn keinen Druck zu machen, beobachtet der Vater das Spiel von weit weg. Bei einem Spiel nimmt Johnny den Vater wahr. Ein kurzer, rührender Moment: „Ich habe nie erfahren, ob er wusste, dass ich ihn bemerkt hatte. Aber insgeheim war ich glücklich, dass er da war.“ Die neunte und zehnte Klasse verbringt er auf der Militärakademie in Pitskill. Danach: Drogen, Schlägereien, Vandalismus, Einbrüche. Schreibt er. Everett True, Autor der Ramones-Biografie „Hey Ho Let’s Go“ warnt davor, den Geschichten der Band unbedingten Glauben zu schenken und sieht chronologische Unmöglichkeiten in Johnnys Jugendbiografie.

Nach Vietnam eingezogen wird er nicht. Und obwohl auch Johnny keine Ahnung hat, wozu dieser Krieg gut sein soll, drängt aus ihm ungehemmt einer dieser Irrensätze, die man am ehesten unter dem Recht auf freie Meinungsäußerung verbucht: „Ich hatte keine Ahnung, warum sie das Land nicht einfach von der Landkarte gebombt haben.“

Mit Joey sterben für ihn 2001 auch die Ramones. „Er war unersetzlich, ganz egal, wie sehr er nervte.“ Eine Handvoll Gefühl, angesichts des Endes. Sonst klingt das Verhältnis eher so: „Wir waren sicherlich keine engen Freunde, wir waren Geschäftspartner.“

Sein ganzes Leben sei er überzeugt gewesen, nie krank zu werden, schreibt Johnny. Und dann bekommt er die Diagnose Prostatakrebs. Im Kreis seiner Freunde stirbt Johnny am 15. September 2004 in seinem Sessel in L. A. In einem kurzen Epilog erzählt Lisa Maria Presley, wie man an diesem Tag bei ihm saß. Redete. Weinte. Sich zusammen die Nachrichten ansah – die schon meldeten, dass der Ramones-Gitarrist tot ist. Und dann ging Johnny.


Johnny Ramone: „Commando“ (Tropen, 164 Seiten, 19.95 Euro)

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