Die Räuber singen gerne Karaoke
Lars Eidingers Berliner Schiller-Inszenierung beim Festival „Radikal jung“ im Volkstheater
Soviel ist klar: Ohne Popmusik kann keine Inszenierung auskommen, die sich das Etikett „Radikal jung“ verdienen will. Lars Eidinger setzt noch eins drauf: Er inszenierte Schillers „Räuber“ mit Popsongs in verkitschter Karaoke-Variante. Der 33-Jährige ist Schauspieler an der Berliner Schaubühne, unterrichtet an der Ernst-Busch-Hochschule und gab mit dieser Koproduktion von Hochschule und Schaubühne sein Regiedebüt, das beim Festival der jungen Regisseure im Volkstheater gastierte.
Bis auf den alten Moor (Urs Jucker), der an Sauerstoffschläuchen vor sich hinröchelt, sind alle Darsteller Schauspielstudenten. Die stürzen sich spiellustig ins Räuberleben. Zum starken Beginn hat Eidinger die Szenen mit Franz’ Brief-Intrige und Karls Biertisch-Clique hart gegeneinander geschnitten und verzahnt – so stehen die ungleichen Brüder, obwohl an verschiedenen Spielorten, Aug’ in Aug’ und reagieren aufeinander.
Ab der Mitte ermattet und verzappelt
Der immer wieder wild und jäh ausbrechende Aktionismus der hier fünf Spießgesellen kulminiert in einem orgiastischen Tanz, nachdem man einen Pater als Regierungsvertreter geprügelt, gestiefelt und fast gekreuzigt hat.
Der Gegenpol ist das gräfliche Ambiente: eine weiße Sofa-Wohnmulde mit Fernseher und Discokugel. Da sitzt Karls Geliebte Amalia (Birte Schnöink) und singt dauernd traurige Karaoke-Songs, wenn sie sich nicht gerade des fiesen Franz erwehren muss.
Den spielt Sebastian Zimmler brillant aasig und sarkastisch. Kaum glaubt er seinen Vater tot, zieht er ihm den unförmigen Fatsuit aus und schlüpft selbst hinein: Macht macht fett. Tilman Strauß ist als Räuber Karl dann doch überfordert. In langen weißen Unterhosen mit Bowler und Spazierstock scheint er aus „Clockwork Orange“ entsprungen, tanzt mal Revue, lacht hysterisch oder greint: „Ich will nach Hause.“ Ab der Mitte ermattet die Zweistunden-Aufführung und verzappelt sich. Das tragische Finale ertrinkt in Weinerlichkeit und Pulverdampf.
Gabriella Lorenz
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