Die PR-Desaster: Alles nur Peanuts?

Des PR-Desaster von Madeleine Schickedanz ist ein neuer Höhepunkt unter den peinlichen Ausrutschern von Prominenten auf dem glatten Parkett der Öffentlichkeit. Eine Expertin weiß, wie’s anders ginge
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Des PR-Desaster von Madeleine Schickedanz ist ein neuer Höhepunkt unter den peinlichen Ausrutschern von Prominenten auf dem glatten Parkett der Öffentlichkeit. Eine Expertin weiß, wie’s anders ginge

Verbale Ausrutscher und nonverbale Entgleisungen – kommunikative Fettnäpfchen wachsen sich schnell zum PR-Desaster aus. Das musste zuletzt auch Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz erleben, die zwar beim Nobelitaliener isst, im Interview aber darüber klagte: „Ich lebe von 600 Euro im Monat.“ Mitleid bekam sie keines, dafür jede Menge Häme. Daniela Puttenat untersucht in ihrem aktuellen Buch „Praxishandbuch Krisenkommunikation. Von Ackermann bis Zumwinkel: PR-Störfälle und ihre Lektionen“, warum es immer wieder zu solchen PR-Gaus kommt.

AZ: Frau Puttenat, warum gibt es derzeit so häufig PR-Pannen?

DANIELA PUTTENAT: Das Medienkarussell dreht sich heute so schnell, dass es zu mehr PR-Krisen kommt. Neue Medien wie Blogs oder Twitter suggerieren uns, dass immer mehr passiert. Ständig ist etwas los und wird immer schneller weiter getragen.

Und aus einer Geste wird schnell ein großer Skandal.

Genau. Heute wäre das Victory-Zeichen des Herrn Ackermann beim Mannesmann-Prozess bereits nach ein paar Minuten auf Youtube zu sehen gewesen. Ackermann hat mit dem Victory-Zeichen seinen Mitangeklagten Klaus Esser begrüßt, der war auf den meisten Bildern dann aber nicht zu sehen. Man sollte denken, dass Herr Ackermann wissen müsste, dass man sich als Angeklagter im Gerichtssaal eher demütig und ernst zu verhalten hat.

Auch Frau Schaeffler im Pelzmantel wurde ungewollt zu einem Symbol.

Ja, und wenn man selbst kein Gefühl dafür besitzt, wie unpassend es ist, in einer schweren Krise, in der man laut nach Steuergeldern ruft, im Pelz aufzutreten, braucht man unbedingt einen Berater.

Der neueste Medien-Gau: Das Klagelied der Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz. Was ist da in sie gefahren?

Die arme ehemalige Milliardärin besitzt ja auch nur noch 27 Millionen Euro. Alles ist relativ und sie hat da wohl ihre eigene Relation. Natürlich ist es aber zutiefst unglücklich, dass sie sich in dieser schwierigen Zeit öffentlich beklagt. Und: Man nimmt ihr das mit den 600 Euro einfach nicht ab,

Hält gerade die Finanzkrise viele Fettnäpfchen bereit?

Ja, in Zeiten der globalen Krise, die polarisiert, funktionieren die archetypischen Bilder von Gut gegen Böse, Reich gegen Arm, Oben und Unten noch besser. Gerade deshalb wäre es im Fall von Fau Schickedanz geboten gewesen, sich zurückzuhalten. Und auch einem Herrn Zumwinkel, der sich bitterlich über den Umgang der Medien mit ihm beklagt hat, stünde nach seiner Bewährungsstrafe und Millionenabfindung mehr Zurückhaltung gut zu Gesicht.

PR-Pannen scheinen oft aus Unbedachtheit zu entstehen. Rudolf Scharping aber hat sich beispielsweise ganz bewusst beim Plantschen im Pool ablichten lassen.

Dahinter steckt wohl eine menschliche Eigenschaft: Er war im Hormonrausch und wollte offenbar der ganzen Welt zeigen, dass er locker sein kann und es sich mit seiner neuen Freundin im Urlaub gut gehen lässt. Dass sich der Bundesverteidigungsminister im Pool plantschend fotografieren lässt, während gleichzeitig die Bundeswehr vor einem Einsatz in Mazedonien steht, war der absolute PR-Gau. Oft ist der Auslöser für PR-Krisen schlechtes Timing.

Aber sollte ein Politiker nicht gute Berater haben?

Natürlich, aber nur zu häufig ist der Beraterstab sehr von der Sicht seines Chefs geprägt. Das ist menschlich, aber bei Krisen nicht sehr hilfreich. Gerade ein gewisser kritischer Abstand macht einen guten Berater aus. Aber auch eine eigene gute Intuition schadet nicht.

Frau Schaeffler hat sich nach ihrem Pelzmantel-Auftritt ihren Mitarbeitern weinend im Anorak präsentiert.

Damit hat sie alles noch weiter befeuert. Einen Tag im Pelzmantel aufzutreten und sich am nächsten im Anorak zu entschuldigen ist nicht besonders glaubwürdig. Das oberste Gebot aber ist Glaubwürdigkeit. Nach einem PR-Desaster sollte man sich verbal und visuell eher zurückhalten.

Also lieber erst einmal Gras darüber wachsen lassen?

Ja, aber danach kann man in Ausnahmefällen einer Panne sogar einen positiven Touch geben. Der Ex-Vorstandssprecher der Deutschen Bank. Hilmar Kopper, Schöpfer der unglücklichen Bezeichnung Peanuts, hat sich später für eine Anzeigenkampagne vor einem Erdnuss-Laster ablichten lassen – selbstironisch und witzig.

Angelika Kahl

Daniela Puttenat: „Praxishandbuch Krisenkommunikation“ (Gabler, 181 Seiten, 38 Euro)

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