Die "musica viva" im Herculessaal
Die musica viva im Herkulessaal: Musik von Moritz Eggert, Dieter Schnebel und Brice Pauset.
Unter den zeitgenössischen Komponisten gibt es Tüftler, Skeptiker und Sonntagskinder wie Moritz Eggert. Im reifen Alter von 45 Jahren markiert er noch immer den zornigen jungen Mann. Mit „Number Nine VII: Masse“ haute er aufs Podium des Herkulessaals, dass es die Hörer nur so freut.
Anfangs krachten unentwegt Schlussakkorde. Einem wilden Durcheinander folgten hopsende Rhythmen, eine schönheitstrunkene Klangfläche der Streicher und wildes Getrampel, als träte das von Peter Rundel angeleiteten Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks in Streik. Eggert bildet die titelgebende Masse ohne ästhetisches Gedöns eins zu eins ab. Für feinere Geister war das zu simpel, aber es hatte immerhin die Power von Popmusik.
Stiller zerlegte der Skeptiker Dieter Schnebel dann in „Canones“ einen Choral in Klangpünktchen. Die musikalische Sphäre des Christkindlmarkts gefährlich streifend, wurde er wieder zusammengesetzt. Als Pfarrer weiß der Komponist, dass Wiederholungen nie schaden, und so exerzierte ein zweiter Satz für Begriffsstutzige alles noch einmal durch.
Gelungener wirkte die Uraufführung des Tüftlers Brice Pauset. Zu oft waren in der musica viva schon Werke zu ertragen, in denen elektronisch verfremdeter Gesang nur leeres Geschwätz hinzufügte. In „Erstarrte Schatten“ erweiterten die Laute und das Flüstern der Stuttgarter Vokalsolisten das große Orchester sparsam und zugleich rätselhaft wie zusätzliches Schlagzeug. Dass es sich um das gefühlt 1001. Stück Neuer Musik zu Hiroshima handelte, war angesichts solcher Klangraffinesse verzeihlich.
Robert Braunmüller
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