Die Macht der schönen Bilder
Die Katholiken wussten es schon immer: Was zählt, sind gute Bilder. Das gilt heute wie vor 400 Jahren. Und damals, in den Hochzeiten der Gegenreformation, wurde Erstaunliches aufgeboten, um die Gläubigen bei der Stange zu halten oder verirrte Schäflein in den Schoß der alten Kirche zurückzuholen. Barocke Gotteshäuser sind oft imposante Zeugnisse dieser groß angelegten PR-Show, in der die Kunst, befördert durch das Konzil von Trient, eine Rolle gespielt hat, von der Maler, Bildhauer und Baumeister später nur träumen können. Und Rom war das Zentrum dieses Theaters – das ist nun in einer eher stillen Schau der Pinakothek der Moderne zu erleben.
Neben den farb- und formstarken „Frauen” von Picasso, Beckmann und De Kooning hat es die Grafik naturgemäß noch etwas schwerer als sonst. Aber wer sich auf das Kammerspiel in den unteren Räumen des Hauses einlässt, merkt schnell, wie viel Qualität sich hier auf verhältnismäßig wenige Quadratmeter konzentriert. Das Who’s Who ist hier versammelt, Borromini und Bernini, die Carracci und Sandrart, Poussin und Elsheimer. So, wie es zwischen 1550 und 1700 auch in Rom der Fall war. Die Auftragslage hätte kaum besser sein können, es tat sich viel in der Ewigen Stadt, Inspiration und Innovation lagen in der Luft, deshalb zogen nicht nur italienische Maestri, sondern ganze Bataillone von Künstlern aus Frankreich, Spanien, Deutschland und den Niederlanden hierher.
Und über allem schwebte Raffael
Doch bei allem Aufbruch zu einer von Cravaggio angestoßenen neuen Lichtregie, zu fulminanten Akten und dramatischen Szenerien ist Raffael der allgegenwärtige Maßstab. Gleich mit den ersten Blättern der Ausstellung wird einem das bewusst. Und auf einer lavierten Federzeichnung Federico Zuccaris förmlich vor Augen geführt. In den 1590er Jahren hat der Künstler seinen Bruder Taddeo festgehalten, wie er nachts in der Villa Farnesina sitzt und unter einem Rundbogen der Loggia di Psiche das Deckenfresko Raffaels abzeichnet – mit bewunderndem Blick. Man kann dies durchaus als Leitmotiv für das Folgende auffassen. Nicht nur wegen der Verehrung des Malergenies, sondern auch, weil das Aufschauen für die visionären Heiligen des Barock und die Deckenmalerei überhaupt so wichtig werden wird.
Federico Zuccari ist es übrigens auch, der die von Papst Gregor XIII. 1593 initiierte Accademia di San Luca leitet und den Kunstunterricht reformiert – etwa durch das Zeichnen nach der Natur. Sehr viel später wird Claude Lorrain in seiner Wahlheimat Rom zum Meister der lyrisch-romantischen Landschaft, die er zusätzlich mit einer sakralen Aura überblendet. Zwei Zeichnungen des Franzosen zählen zu den Höhepunkten der 150 ausgestellten Werke, übrigens alle aus den Beständen der Graphischen Sammlung.
Reizvolle Gegensätze
Neben Raffael sind es Michelangelo und die Hinterlassenschaften der Antike, die die Rompilger anziehen. Auch das kann man in vielen Arbeiten verfolgen, etwa bei Girolamo Muzianos „Judas bindet sich die Sandale” oder einem Jesus Christus von Annibale Carracci, der mit seinem Pendeln zwischen natürlich-lapidarer Darstellung und lichteffektreicher Inszenierung unglaublichen Einfluss auf künftige Malergenerationen hatte.
Gleichwohl tauchen antike Versatzstücke, Ruinen, Monumente bei Joachim von Sandrart oder Philipp Peter Roos auf. Johann Heinrich Schönfeld gönnt sich einen eher ungewöhnlichen Blick auf den Konstantinsbogen, der hinter einem wenig eleganten zeitgenössischen Wohnhaus fast verschwindet. Der Reiz liegt in den Gegensätzen, die der Alltag zusammenwürfelt, gerade für den Rom-Touristen. Das ist heute nicht anders. Wobei man genauso den attraktiven Rückenakt gleich daneben fast übersehen könnte. Auch ein Schönfeld, diese „Nymphe aus dem Gefolge der Diana” mit ihrem Jagdhund. Beschirmt wird sie von einem Ast, der sich ihr fast liebevoll entgegen neigt. Vielleicht das anrührendste Bild der Schau. Fern von Glaubenskampf und katholischer Bilderpracht.
Bis 13. Mai 2012 in der Pinakothek der Moderne, Dienstag bis Sonntag 10 bis 18, donnerstags bis 20 Uhr, Katalog (Deutscher Kunstverlag) 36 Euro