Die Luftgitarre als Wagnis

Lionel Richie versetzte die nicht leicht zu begeisternden Münchner in der Olympiahalle in Partylaune – er ließ sie aber auch schwelgen. Routine kannte der Entertainer nicht.
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Lionel Richie versetzte die nicht leicht zu begeisternden Münchner in der Olympiahalle in Partylaune – er ließ sie aber auch schwelgen. Routine kannte der Entertainer nicht.

Es gibt ein Attribut, das auf das Münchner Publikum generell nicht zutrifft: leicht zu begeistern. Selbst Weltstars animieren sich hier mühevoll durch ihre Shows und müssen um rhythmisches Mitklatschen, das mehr als zehn Takte andauern soll, geradezu flehen. Das Publikum von Lionel Richie bildet da eine Ausnahme – vielleicht auch er selbst. „Everybody up!“ ruft der 59-Jährige nur, und sofort hält es in der nahezu ausverkauften Olympiahalle niemanden mehr auf seinem Platz.

Schon beim zweiten Lied „All Around The World“ funktioniert das – und von da an immer wieder. Aber nicht nur die Fans tanzen: Goldkettenbehängt hüpft Richie über die Bühne, auf der die exzellente Band wie eine Spitze auf das Publikum ausgerichtet ist. Natürlich könnte er jedes einzelne Lied und jede Geste nach all den Jahren längst im Tiefschlaf vollführen, doch er vermittelt zumindest nicht den Eindruck, von der Routine gelangweilt zu sein.

Nichts für Coole

Die Bombenstimmung erinnert an eine 80er-Jahre-Party: Jeder der Anwesenden weiß, dass diese Veranstaltung niemals als hip durchgehen kann. Deshalb versucht man gar nicht erst, sich lässig-distanziert zu geben. Die weiblichen Fans bemühen sich bei dem Duett „Endless Love“ redlich, Diana Ross’ Part zu übernehmen, Lionel Richie selbst wagt sich an die Luftgitarre, und auch die Band hat längst gemerkt, was die Stunde geschlagen hat: Bei „Dancing on the Ceiling“ taucht plötzlich das Keyboard-Intro aus Van Halens „Jump“ auf, und der Gitarrist verfrachtet sein Instrument während des Spielens in den eigenen Nacken.

Bei all den Kunststückchen geht fast unter, warum die Show so glänzend funktioniert: Weil hier ein kumpelhafter Entertainer am Werk ist, der seit 40 Jahren große Songs schreibt, die von der Soulballade bis zum Discohit reichen. Weil er immer noch eine hinreißende Stimme hat, die trotz der suboptimalen Aussteuerung kraftvoll und samtig klingt. Und obwohl seine jüngeren Alben kommerziell nicht besonders erfolgreich waren, scheinen noch immer Fan-Kohorten nachzuwachsen. Grüppchen junger Frauen bevölkern die Stuhlreihen ebenso wie Paare in den Fünfzigern. Nach zwei Stunden wirken sie alle entweder angenehm ausgepowert oder romantisch verklärt – je nachdem, ob sie zum Tanzen oder Schwelgen gekommen sind. Lionel Richie jedenfalls kann beides.

Julia Bähr

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