Die letzte Narretei

Ein bemerkenswerter Abschied: Ulrich Peters sagt dem Gärtnerplatz mit Verdis "Falstaff" laut Adieu.
von  Volker Boser

Ein bemerkenswerter Abschied: Intendant Ulrich Peter sagt am Gärtnerplatz mit Verdis "Falstaff" laut Adieu

Noch bevor sich der Vorhang öffnet, sitzt ein älterer Herr auf der Bühne. Er beugt sich über eine Partitur. Es ist der Komponist, der sich auch später immer wieder in die Handlung einbringt: ein hübscher Einfall, aber ohne tiefere Bedeutung.

Regisseur Ulrich Peters und sein Ausstatter Christian Floeren haben die Handlung von Verdis "Falstaff" in die Zeit um 1900 verlegt. Viktorianische Häuserfassaden an den beiden Seiten der Bühne des Prinzregententheaters erinnern an eine Geschichte von Charles Dickens. Eine Fabrikanlage im Hintergrund weist auf die beginnende Industrialisierung hin. Die Kostüme hätten auch in einer komischen Oper von Lortzing ihren Zweck erfüllt.

Obwohl italienisch gesungen wurde, war die Aufführung weit entfernt davon, authentisch zu sein. Dirigent Lukas Beikircher hatte das Orchester des Gärtnerplatztheaters sorgfältig vorbereitet. Es wurde bei moderaten Tempi äusserst präzise, manchmal geradezu pingelig musiziert. Kompositorische Kunstkniffe liessen sich akribisch nachvollziehen, weniger die immer wieder heftig aufbrausende Brillanz, die sich ja auch in den Noten befindet.

Die Regie präsentierte das letzte Bühnenwerk Verdis als eine gemütliche Narretei. Einige neue, aber auch eine Menge bekannter Pointen nahm das Premierenpublikum bereitwillig zur Kenntnis. Falstaff (prächtig: Gregor Dalal) ist kein vergammelter Suffkopf, sondern einer, der sehr genau weiss, was sich gehört. Seine beiden Kumpane Bardolfo (Mario Podrecnik) und Pistola (Martin Hausberg) haben allerdings keine Chance: Sie müssen Klamauk abliefern. Während Robert Sellier als Fenton einfühlsam seine geliebte Nannetta (reizend: Christina Gerstberger) anschmachtet, kommt der Komponist hinter einem Baum hervor und dirigiert mit. Für den mit einem riesigen Schwimmreifen aus der Themse steigenden Titelhelden gab es Szenenapplaus.

Wolken der Routine über der Inszenierung, Sonnenschein bei den Sängern: Windsors temperamentvolle und äusserst ansehnliche Damen - Sandra Moon (Alice), Ann-Katrin Naidu (Quickly), Franziska Rabl (Meg) - hatten alles fest im Griff. Auch der eifersüchtige Gockel Ford (Gary Martin) beeindruckte. Hand aufs Herz: Wer hätte dem Gärtnerplatz-Ensemble, das nun auseinander bricht, weil ein neuer Intendant kommt, auf diesem ungewohnten Terrain ein derart bemerkenswertes Niveau zugetraut?

 

 

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