Die Kinder des Terrors

Der italienische Politiker Walter Veltroni gibt mit seinem Roman „Die Entdeckung des Sonnenaufgangs“ ein beachtliches Literaturdebüt
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Der italienische Politiker Walter Veltroni gibt mit seinem Roman „Die Entdeckung des Sonnenaufgangs“ ein beachtliches Literaturdebüt

Dass Politiker Bücher schreiben (lassen), ist nicht ungewöhnlich. Dass sie dabei die Gefilde der Politik und der Autobiografie verlassen, schon. Und dass auch noch ernstzunehmende Literatur herauskommt, ist außergewöhnlich. Der italienische Mitte-Links-Politiker Walter Veltroni legte 2006 in Italien seinen Debütroman „Die Entdeckung des Sonnenaufgangs“ vor, der jetzt auf Deutsch erschienen ist.

Veltroni, Jahrgang 1955, gelernter Journalist, war von 1996 bis 1998 im Kabinett von Romano Prodi Kulturminister und stellvertretender Ministerpräsident, von 2001 bis 2008 Bürgermeister von Rom. Sein erster Roman ist eines Ex-Kulturministers würdig: gut geschrieben, voller Reflexion und doch spannend, auf der Spur ders politischen Bewusstseins der in Italien vom linken Terror geprägten 70er Jahre.

Ungelöste Rätsel

Der Ich-Erzähler Giovanni Astengo ist Archivar, er sammelt und katalogisiert Tagebücher. Seiner Frau Giulia, einer Immobilienmaklerin, hat er sich längst entfremdet. Seine Tochter Stella ist ein Down-Kind, ihr acht Jahre älterer Bruder Lorenzo, ein Italo-Calvino-Fan, kümmert sich rührend um die behinderte Schwester.

In Giovannis Leben gibt es ein ungelöstes Rätsel: Als er 15 war, verschwand sein Vater spurlos. Giacomo Astengo war Professor für Architektur. 1977, zur Zeit der Moro-Entführung, wurde sein Kollege und bester Freund Tessandori 1977 von den Roten Brigaden erschossen. Astengo trat die Nachfolge des Ermordeten als Dekan der Architektur-Fakultät an. Umso geheimnisvoller ist sein Verschwinden – war es Flucht, Selbstmord oder ein Verbrechen?

Bittere Wahrheit

Als seine Familie auf Urlaub ist, sucht Giovanni das Ferienhaus seiner Kindheit auf. Im verlassenen Bauernhaus findet er ein altes Bakelit-Telefon. Aus Neugier wählt er die damalige Nummer seiner Familie und spricht mit einem Jungen, der er selber ist – vor 30 Jahren, einen Tag vor dem Verschwinden des Vaters. Die Erinnerungen lassen ihn über den Mord an Tessandori recherchieren. Er findet die Mörderin, die 25 Jahre im Gefängnis saß, und erfährt von ihr die bittere Wahrheit.

Veltroni verwebt das Thema des Verschwindens kunstvoll mit der Schilderung von Familien-Problemen und erzählt unaufdringlich und reflektiert das Drama der Kinder des linken Terrors.

Gabriella Lorenz

Walter Veltroni: „Die Entdeckung des Sonnenaufgangs“, Klett-Cotta, 156 S., 17.90 Euro)

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