Die Kamera als Waffe gegen Ungleichheit
Derzeit ist mit Gordon Parks (1912-2006) eine der Schlüsselfiguren der Fotografie des 20. Jahrhunderts zu Gast. Sein politisch und sozial höchst engagiertes Werk dokumentiert von der Rassendiskriminierung über die Bürgerrechtsbewegung bis zum Alltag in den Großstädten einige zentrale Aspekte der amerikanischen Kultur und Geschichte ab 1940 bis nach der Jahrhundertwende.
1912 in Kansas geboren, war Parks schon als Kind mit der Realität von Armut und Rassentrennung konfrontiert. Als junger Mann verdiente er sich sein Geld zunächst als Hilfsarbeiter, als Pianist in einem Bordell und als Zugbegleiter, bevor er sich in einem Pfandleihhaus eine Kamera kaufte und als Autodidakt zum Fotografen wurde. Trotz der Benachteiligungen, denen er aufgrund seiner Hautfarbe ausgesetzt war, konnte er sich mit Aufnahmen der sozialen und ökonomischen Auswirkungen des Rassismus als erfolgreicher Fotograf etablieren und machte sich im Jahr 1943 selbständig.
Er nahm Aufträge von Modezeitschriften an, lichtete als schwarzer Fotograf weiße Models ab und bearbeitete parallel dazu weiter gesellschaftskritische Themen. Das positive Echo seiner Fotoreportage über einen schwarzen Bandenführer in Harlem 1948 veranlasste die Redaktion von "Life", der damals größten Illustrierten der Welt, Parks als erstem Afroamerikaner eine feste Stellung anzubieten. In den 20 Jahren, die er für die Zeitschrift tätig war, benutzte er seine Kamera als Waffe und Instrument gegen Unterdrückung, Gewalt und Ungleichheit, um die Schattenseiten des "American Way of Life" zu zeigen und dahin zu blicken, wo es wehtat.
Der Zeitzeuge des Kampfes für die Gleichberechtigung der farbigen Bevölkerung fotografierte die Gangs in den Straßen von New York, die Reaktion der Polizei auf Kriminalität, das Leben in Armut in den USA der 1960er und 1970er Jahre. Gleichzeitig porträtierte Parks mit Muhammed Ali, Malcolm X oder Martin Luther King die Hauptvertreter des amerikanischen Civil Rights Movement, aber auch berühmte Künstler wie Marilyn Monroe, Ingrid Bergman, Duke Ellington und Alberto Giacometti, die beweisen, welch hervorragender Porträtist er auch war. Zeitgleich hält er die Segregation im amerikanischen Süden und die Unruhen der jugendlichen Schwarzen in Harlem in seinen Bildern fest. Mit dieser Gleichzeitigkeit von Glamour und Elend, Kommerz und humanitärem Engagement bietet das Werk dieses Fotokünstlers eine unvergleichliche visuelle Sozialgeschichte der USA im 20. Jahrhundert.
Um menschliches Verhalten oder gesellschaftliche Zustände als sich stets wiederholende Abläufe zeigen zu können, hat Parks das Prinzip der Bildsequenz entwickelt. "Er schoss Fotos wie ein Kameramann, komponierte Bilder wie ein Musiker und reihte sie wie ein Dichter zu Sätzen und Erzählungen", heißt es treffend in einem Text zur Ausstellung, die als große Retrospektive mit 180 Exponaten – Vintageprints, Kontaktbögen, Magazinen und Filmen – im Kunstfoyer der Versicherungskammer Kunststiftung erstmals sein fotografisches mit seinem filmischen Werk in Verbindung setzt.
Denn Parks war ein Multitalent: Fotograf, Komponist, Schauspieler, Autor – und eben auch Filmregisseur. Als er mit "Hass" 1969 einen Bestsellerroman verfilmte, der großen Erfolg hatte, war er der erste afroamerikanische Drehbuchautor und Regisseur eines Hollywoodfilms. Mit dem Kinohit "Shaft" (1971) begründete er gar ein eigenes Filmgenre, die "Blackploitation". Parks schrieb zahlreiche Memoiren, Romane und Lyrikbände und erhielt unzählige Preise, darunter über 500 Ehrentitel. 2006 ist er dann im hohen Alter von 96 Jahren verstorben.
Bis 7. Mai im Kunstfoyer der Versicherungskammer Kulturstiftung, anschließend in Amsterdam und Frankfurt: Das Werk von Gordon Parks
Der opulente Katalog mit 288 Seiten und 200 Abbildungen ist im Steidl-Verlag erschienen und kostet 35 Euro; ISBN 978-3-95829-248-2.