Die Iden des März
Ein Tyrannenmord mit fatalen Folgen: Barry Strauss untersucht in "Die Iden des März" die Hintergründe der Ermordung von Julius Caesar
Für manche Unionspolitiker stand noch vor Wochen fest, dass die Iden des März im Jahr 2016 den politischen Königsmord an Bundeskanzlerin Angela Merkel bedeuten könnten – wenn das Wahlwochenende aus ihrer Sicht desaströs enden sollte. Doch dafür fehlen der Plan, der Mut und der Nachfolger. Mythisch wurde dieses Datum bekanntlich durch den Mord an Julius Caesar im römischen Senat am 15. März im Jahr 44 vor Jesus Christus.
Publius Servilius Casca stach damals zuerst zu, nach ihm sein Bruder Gaius, dann die weiteren Verschwörer – unter ihnen auch Brutus, dank William Shakespeare der bis heute bekannteste Caesarmörder, dem der sterbende Diktator die Worte „Auch du, Brutus?“ widmete.
„Caesars Ausruf ist eine Erfindung der Renaissancezeit“, schreibt Barry Strauss, Professor für Alte Geschichte an der amerikanischen Cornell University. Er hat noch einmal detailliert die Vor- und Nachgeschichte des wohl berühmtesten politischen Attentats aufgearbeitet und sich dabei ausschließlich auf die antiken Quellen (Nikolaos, Plutarch, Appian, Sueton, Cassius Dio) gestützt.
„Nach den Maßstäben antiker Geschichtsschreibung sind wir also gar nicht so schlecht aufgestellt, nach modernen Maßstäben ist das alles mehr als dürftig“, resümiert Strauss. Sein großes Verdienst ist es, die – sich bisweilen widersprechende – Quellenlage transparent auszubreiten. Deshalb enthält sein wissenschaftlicher Thriller ein paar mehr Fragezeichen als etwa die kraftvolle, romanhafte Geschichtsschreibung von Robert Harris in dessen großartiger, vor wenigen Monaten abgeschlossener Cicero-Trilogie.
Rettung vor dem Cäsarenwahnsinn
„Die entscheidenden Fehler sind nicht nach dem Attentat gemacht worden, sondern vorher“, lässt Harris Cicero, den berühmtesten Redner der römischen Republik, sagen. Und das stimmt. Cicero selbst gehörte zwar nicht zum engsten Kreis der rund 20 bis 60 Senatoren, die in die Mordpläne eingeweiht waren, begrüßte aber den Tyrannenmord.
Die Motive dafür waren klar: Große Teile der römischen Öffentlichkeit fürchteten, Caesar wolle die Republik durch eine Diktatur ersetzen, möglicherweise durch eine Monarchie, in der der Senat und das Volk seine Untertanen wären. Zudem sei er wahnsinnig geworden (Harris), litt an epileptischen Anfällen (Strauss) und stand kurz davor, einen Feldzug gegen die Parther zu beginnen, um weiter durch Asien zu ziehen. Kurz, er war größenwahnsinnig und gefährdete mehr als nur die innere Sicherheit des Römischen Reichs.
Die Verschwörer allerdings begingen einen entscheidenden Fehler. Sie dachten, mit der Ermordung des Tyrannen wäre die Republik quasi automatisch wiederhergestellt und der Senat ein Ort friedlicher Auseinandersetzung. Sie hatten nicht bedacht, dass die Gesellschaft, die sie wollten, nur mit Gewalt wieder eingeführt werden konnte. Sie versäumten es auch, Marcus Antonius zu ermorden. Es folgte eine Gewaltwelle, wie sie Rom seit dem Bürgerkrieg nicht mehr erlebt hatte. Am 27. November 43 vor Chr. schlossen Marcus Antonius, Caesars Adoptivsohn Octavian (der spätere Kaiser Augustus) und Lepidus in Bologna das zweite Triumvirat.
Der folgenden Säuberungswelle fiel am 7. Dezember 43 vor Chr. auch Cicero zum Opfer. Mit ihm starb die mächtigste Stimme für eine römische Republik, die es nie wieder geben sollte.
Barry Strauss: „Die Iden des März“ (Theiss Verlag, 412 Seiten, 29,95 Euro)
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