Die herzliche Stimme
Wieder aufgelegte CD mit Musik von Schubert und deutschen Volksliedern feiern das Multitalent Hermann Prey, der am Samstag 80 Jahre alt geworden wäre und 1998 in Krailling verstarb
Für ihn war es eine Herzenssache, Musik einem breiten Publikum nahezubringen. Wie Anneliese Rothenberger und Rudolf Schock wurde Hermann Prey auf dem Höhepunkt einer glänzenden Opernkarriere durch die Mattscheibe zum Inbegriff bundesrepublikanischer Fernsehgemütlichkeit: In Unterhaltungssendungen wie „Schaut her, ich bin’s“ stellte er ab 1965 Klassik-Stars den Massen vor.
Die natürliche Ausstrahlung und sein Charme machten den Berliner rasch zum Publikumsliebling. Lebenslang hielt er der bayerischen Staatsoper die Treue: 1958 sang er bei der Wiedereröffnung des Cuvilliés-Theaters den Grafen in „Figaros Hochzeit“. Bald wechselte er vom Herrn zum Diener: Die Titelpartie von Mozarts Oper wurde neben dem Papageno in der „Zauberflöte“ eine seiner berühmtesten Rollen. Noch 1998 stand er in dieser Rolle auf der Bühne des Nationaltheaters.
Ein Missionar des Schubert-Liedes
Prey war ein Sonnyboy der Oper, aber er konnte mehr: 1981 schlug er in Bayreuth mit seinem Beckmesser in den „Meistersingern“ ein neues Kapitel der Wagner-Interpretation auf, weil er die Rolle jenseits der üblichen Karikatur als psychologische Charakterstudie gestaltete.
Prey war ein exzellenter Jesus Christus in Bachs „Johannes-Passion“, aber im Zentrum seiner Karriere standen Schubert und das Kunstlied. Im Gegensatz zu seinem Rivalen Dietrich Fischer-Dieskau setzte er dabei auf eine lyrische Schlichtheit. Und anders als sein hohepriesterlicher Gegenspieler verschmähte er das Populäre nie: 1970 veröffentlichte er sieben Platten deutsche Volkslieder in Orchester-Arrangements, die nun mit den alten Hüllen im Zeichen neuer Bürgerlichkeit als nostalgisches Souvenir der besten Jahre unserer Nachkriegszeit neu aufgelegt wurden.
Zur gleichen Zeit entstanden die nun ebenfalls wieder veröffentlichten Aufnahmen der drei Schubert-Zyklen. Darüber mag der alte Streit aufleben, ob eine helle Stimme für die Abgründe des „Doppelgängers“ und der „Winterreise“ geeignet ist. Aber sei’s drum: Diese Musik lässt viele Deutungen zu, und die Schmerzen des enttäuschten Wanderers erlauben ein Wiederhören mit der Kunst des Liedbegleiters Wolfgang Sawallisch.
Bis zuletzt stimmlich frisch
Prey gründete die Schubertiade im Wiener Musikverein, wo er seinen Lebenstraum, die Aufführung sämtlicher Werke Schuberts in chronologischer Reihenfolge, verwirklichte. Auch die Schubertiade in Vorarlberg war eine Idee des Baritons mit der herzlichen Stimme.
Im Herbst von Preys Karriere war die Stimme erstaunlich frisch. Am 12. Juli 1998 gab er noch eine umjubelte Liedermatinee im Prinzregententheater. Zehn Tage später starb er an den Folgen eines Herzinfarkts in seinem Haus in Krailling. Am heutigen Samstag wäre Hermann Prey 80 Jahre alt geworden.
Robert Braunmüller
Die CDs „Hermann Prey – Die Schubert-Triologie“ sowie „Kein schöner Land – Deutsche Volkslieder“ und Wagners „Meistersinger“ als DVD bei der Deutschen Grammophon