Die Frau für die Quote
In seinem biografischen Roman „Vom Glück nur ein Schatten” beschreibt der ehemalige Regierungssprecher Uwe-Carsten Heye den Lebensweg seiner Mutter, die durch den Zweiten Weltkrieg von ihrem Mann getrennt wird und sich sogar auf Druck der Nazis von ihm scheiden lassen muss. Das ZDF hat die Geschichte, die durch mehrere Epochen der deutschen Vergangenheit führt, aufwändig mit Maria Furtwängler in der Rolle von Ursula Heye verfilmt. Nach „Die Flucht” prägt die Schauspielerin erneut einen großen Fernsehfilm über ein deutsches Frauenschicksal.
AZ: Frau Furtwängler, außerhalb des „Tatort” sind Sie in sehr wenigen TV-Projekten zu sehen.
MARIA FURTWÄNGLER: Das stimmt. Ich tue mich mit neuen Projekten meist sehr schwer. Bei vielen denke ich, dass es einfach nicht wirklich dringend nötig ist, dass ich das spiele. Aber wenn ich mich auf eines einlasse, dann arbeite ich sehr intensiv mit – auch was den Inhalt angeht. Das ist für mich anstrengend. Die ersten Drehbuchfassungen von „Schicksalsjahre” waren Ihnen nicht emotional genug, es gab wohl intensive Diskussionen. Die Geschichte beruht auf einer realen Figur, muss man da bei Änderungen nicht sehr vorsichtig sein?
Ursula Heye war keine bekannte Persönlichkeit wie Romy Schneider oder Hildegard Knef, an die sich jeder erinnert. Deshalb waren wir bei unserem Film freier. Selbst Uwe-Karsten Heye sagte, dass er in manchen Momenten des Films vergessen hat, dass das auf dem Bildschirm gar nicht seine Mutter ist. Das hatte nichts mit einer äußerlichen Ähnlichkeit zu tun. Es ist wirklich verrückt und schwer zu erklären, denn Aura ist so ein blöder Begriff. Aber es hat mit etwas Tieferem zu tun, das ich selbst gar nicht steuern kann.
Ursula Heye hat sich auf Druck der Nazi-Oberen scheiden lassen?und sich später ja auch vorgeworfen, dass sie da nicht mutiger war.
Ich weiß wirklich nicht, wie ich mich an ihrer Stelle entschieden hätte. Sie hätte ihren Job verloren, musste aber ihre Kinder ernähren. Den Kindern wäre die höhere Schulbildung verwehrt geblieben. Als Mutter heldenhaft zu sein, ist noch einmal viel schwieriger. Dass sie aber eben nicht gleich zu Beginn der Geschichte zur Superheldin hochstilisiert wird, finde ich ja gerade so gut.
Wie erarbeiten Sie sich eine Rolle?
Ich muss die Gefühle einer Figur selbst spüren. Im Rahmen der Rolle stelle ich mich ihnen, um in dem Zustand der Figur zu sein.
Die Generation von Ursula Heye musste während und nach dem Krieg viele der Aufgaben übernehmen, die vorher Männern vorbehalten waren. Haben sie dadurch auch den Wert der Selbstbestimmung schätzen gelernt?
Die Frauen haben damals das Land am Laufen gehalten. Sie haben die Kinder durchgebracht und gleichzeitig den Schutt weggeräumt. Ich bin immer noch fassungslos, dass es dann wieder zu einer Rolle rückwärts kam. Die Generation der Ursula Heyes hat die Nachkriegszeit mit einer so unglaublichen Selbstständigkeit und Tüchtigkeit ganz ohne Männer gemeistert, ist in den 50er Jahren dann aber wieder völlig in das alte Rollenmuster zurückgefallen.
An was, glauben Sie, lag das?
Großer Druck kam sowohl von der Kirche als auch von Politikern wie dem Familienminister Franz-Josef Wuermeling. Mutti arbeitet nicht, sondern zieht die Kinder groß, hieß es. Mich hat immer die Frage fasziniert, warum die Frauen das damals mit sich haben machen lassen.
Haben Sie eine Antwort gefunden?
Wahrscheinlich spielte da auch die Sehnsucht der Frauen nach Normalität und Ruhe eine Rolle. Vielleicht wollte man die schreckliche Kriegszeit einfach nur verdrängen. Vielen bot da wohl das traditionelle Familienmodell eine große Sicherheit. Und diejenigen, die einen Mann hatten, waren wahrscheinlich froh, dass sie überhaupt einen hatten. Allerdings war die Scheidungsquote damals auch gigantisch hoch. Einerseits konnten die Männer mit der neuen Selbstständigkeit der Frauen nicht umgehen. Aber auch die Männer kamen natürlich verändert aus dem Krieg zurück. Viele Frauen ließen sich scheiden, weil sie sagten, ihr Mann sei brutal und eklig geworden.
Auch heute gibt es noch große Defizite bei der Gleichberechtigung. Aktuell diskutieren wir über eine Frauenquote in Spitzenpositionen. Brauchen wir die Ihrer Meinung nach?
Ich bin da wirklich hin- und hergerissen. Viele Frauen, die in Führungspositionen arbeiten, waren früher gegen eine Quote. Auch weil sie auf gar keinen Fall als Quotenfrauen gelten wollten. Heute aber sind viele – bis hin zur französischen Finanzministerin – überzeugt, dass es ohne Quote nicht geht. Die Zahlen zeigen, dass sich in den vergangenen zehn Jahren überhaupt nichts getan hat. Ich glaube aber auch, dass genau diese Diskussion bei vielen Männern eine große Angst auslöst. Wenn, dann könnte es ohnehin nur eine Übergangsquote sein. Außerdem zeigen Studien ganz deutlich, dass gemischte Führungsetagen einen positiven Einfluss auf den Erfolg eines Unternehmens haben.
Ein ganz anderes Thema zum Schluss: Sie sind das neue Gesicht der FAZ-Kampagne „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf”. Lesen Sie denn selbst noch regelmäßig Zeitung?
Ich bin ein echter Tageszeitungsfreak. Zum Leidwesen meines Mannes, dem Zeitschriftenverleger Hubert Burda, lese ich mehr Zeitungen als Zeitschriften. Auch meine Kinder lesen Zeitung, aber natürlich auch, weil sie bei uns herumliegen.
Angelika Kahl
So und Mo, 20.15 Uhr, ZDF