Kritik

Auf Schnitzeljagd nach Taylor Swift

Zwei neue Bücher versuchen, sich dem Pop-Phänomen anzunähern. Doch das ist nicht so ganz einfach.
Dominik Petzold
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Taylor Swift singt während des Konzerts der Eras Tour in Vancouver, British Columbia.
picture alliance/dpa/The Canadian Press via AP 9 Taylor Swift singt während des Konzerts der Eras Tour in Vancouver, British Columbia.
In der Gelsenkirchener Innenstadt wurde ein Taylor-Swift-Graffiti meterhoch an eine Hauswand gesprüht.
picture alliance/dpa 9 In der Gelsenkirchener Innenstadt wurde ein Taylor-Swift-Graffiti meterhoch an eine Hauswand gesprüht.
Taylor Swift singt während des Konzerts der Eras Tour in Vancouver, British Columbia.
picture alliance/dpa/AP 9 Taylor Swift singt während des Konzerts der Eras Tour in Vancouver, British Columbia.
Taylor Swift auf dem Weg zur 67. Grammy-Verleihung.
picture alliance/dpa/Invision 9 Taylor Swift auf dem Weg zur 67. Grammy-Verleihung.
Taylor Swift Fans zeigen ihre Armbänder, auf denen Teile von Songtexten zu lesen sind.
picture alliance/dpa 9 Taylor Swift Fans zeigen ihre Armbänder, auf denen Teile von Songtexten zu lesen sind.
Die Biografie des Popstars.
Verlag 9 Die Biografie des Popstars.
Das Buch über alle Songs von Taylor Swift.
Verlag 9 Das Buch über alle Songs von Taylor Swift.
Sie steht schon wieder an der Spitze der Album-Charts: US-Sängerin Taylor Swift. (Archivbild)
Daniel Deslover/Zuma Press/dpa 9 Sie steht schon wieder an der Spitze der Album-Charts: US-Sängerin Taylor Swift. (Archivbild)
Fans vor dem ersten Konzert von Taylor Swift in Gelsenkirchen (Archivbild).
Oliver Berg/dpa 9 Fans vor dem ersten Konzert von Taylor Swift in Gelsenkirchen (Archivbild).

Als Taylor Swift im vergangenen Sommer zwei Abende lang im Olympiastadion auftrat, öffnete sich das Tor zu einem Paralleluniversum: Zehntausende junge Menschen, vorrangig weiblich, kamen in spektakulären, höchst aufwendigen, individuellen Kostümen. Diese spielten jeweils auf die verschiedenen „Eras“ von Swifts Karriere an, die der Megastar bei der gleichnamigen Tournee feierte. Und zwar mit einer Show, wie sie München und die Welt noch nicht gesehen hatte.

Einen vergleichbaren Ruhm hatten in der Geschichte des Pop auch nur sehr wenige erreicht. Und da macht der Untertitel der ersten Biographie des Megastars, „Heartbreak is the National Anthem“, doch sehr neugierig: „Wie Taylor Swift die Popmusik neu erfand“, verspricht der Rolling Stone-Journalist und Autor Rob Sheffield zu erklären.

Doch dieses Marketing-Versprechen löst er nicht ein, ja, er greift es nicht mal systematisch auf. Und das verdirbt ein wenig den Spaß an der Lektüre der Biografie der 36-Jährigen, über die es wahrlich viel Interessantes zu berichten gibt.

Sie wuchs auf einer Weihnachtsbaumfarm in Pennsylvania auf, als geliebte Tochter wohlhabender Eltern. Diese benannten ihr Kind nach James Taylor, und das sollte sich als Omen erweisen. Mit acht Jahren ging Taylor zu einem Konzert ihres Idols LeAnn Rymes, zuvor hatte sie ihr Briefe und Bilder von sich auf das Hotelzimmer geschickt, und als der Star das kleine Mädchen nach dem Konzert erkannte und namentlich ansprach, habe es „echt klick gemacht“, wie Taylor sagt.

Ihr Debütalbum machte sie zum Star

Das ehrgeizige, stur-selbstbewusste Kind ließ sich eine zwölfsaitige Gitarre schenken, gerade weil der Gitarrenlehrer gesagt hatte, ihre Finger seien noch zu schwach dafür, und übte sich die Kuppen blutig. Mit 14 überredete sie ihre Eltern, nach Nashville zu ziehen. Schnell bekam sie dort einen Plattenvertrag, mit ihrem Debütalbum wurde die 16-Jährige zum Star, und mit jedem Album wuchs der Ruhm. 2012 hatte sie mit „Red“ den Gipfel des Countrypop erreicht, zwei Jahre später ging sie ins Risiko und wandte sich auf „1989“ dem Popsound der Achtziger zu - und ihr Erfolg potenzierte sich mit Hits wie „Shake It Off“, „Blank Space“ und „Style“.

Sie steht schon wieder an der Spitze der Album-Charts: US-Sängerin Taylor Swift. (Archivbild)
Sie steht schon wieder an der Spitze der Album-Charts: US-Sängerin Taylor Swift. (Archivbild) © Daniel Deslover/Zuma Press/dpa

Der Autor Rob Sheffield hat die Künstlerin oft getroffen, mehrfach spielte sie ihm ihre neuen Alben in ihrer Wohnung vor - dem einzigen Ort, von dem sie sicher war, dass niemand Wanzen verlegt hat, um die Musik mitzuschneiden und zu leaken, wie Sheffield vermutet. Er zeichnet das Bild eines Kontrollfreaks, einer extrem ehrgeizigen, aber auch empathischen, empfindsamen Künstlerin, die ihre persönlichen Liebesdramen und Probleme zu Songs verarbeitet und mit ihren Fans teilt.

Geschrieben von einem Swiftie

Mit diesem „Oversharing“ erreichte sie vor allem Mädchen und junge Frauen, die ähnliches durchlebten. Und diese Bindung stärkte Taylor Swift, indem sie in Songs, auf Covers und anderen Wegen ständig Geheimbotschaften aussandte und die Fans auf eine immerwährende Schnitzeljagd schickte. So entstand eine neue Art des „Fandom“ und eine besonders aktive, leidenschaftliche Fanszene, von der sogar die Gitarren-Industrie profitierte: Die verkaufte auch dank Taylor Swift in den 2010er Jahren erstmals mehr akustische als elektrische Gitarren, zu erheblichen Teilen an Mädchen.

In der Gelsenkirchener Innenstadt wurde ein Taylor-Swift-Graffiti meterhoch an eine Hauswand gesprüht.
In der Gelsenkirchener Innenstadt wurde ein Taylor-Swift-Graffiti meterhoch an eine Hauswand gesprüht. © picture alliance/dpa

Der Autor ist ebenfalls leidenschaftlicher Swiftie, und so schreibt er auch mit viel Gossip-Herzblut über die öffentlichkeitswirksamen Streitigkeiten, in die Taylor Swift immer wieder gezogen wurde, etwa von Rapper Kanye West und dessen damaliger Ehefrau Kim Kardashian. Als Taylor Swifts Plattenfirma die Rechte an ihren Masterbändern später ausgerechnet an Kanye Wests Manager verkaufte, entschied sie sich zu einem präzedenzlosen Schritt: Sie nahm sämtliche Alben nochmal auf. Und die Fans kauften auch diese „Taylor’s Versions“ nur zu gern und machten sie zu einem weiteren Riesenerfolg.

Über die Musik erfährt man nicht viel

Schon die ersten 36 Lebensjahre der Taylor Swift bieten also einen gewaltigen Stoff, und Rob Sheffield weiß ihn kurzweilig aufzuschreiben. Doch irritiert die starke Selbstbezogenheit des Autors: Das Wort „Ich“ dürfte neben „Taylor“ am häufigsten vorkommen, immer wieder erklärt er, warum bestimmte Songs etwas in ihm auslösen, und erzählt von seinem Leben als Swiftie. So schreibt er über die erste Nacht dreier aufeinanderfolgender „Eras“-Konzerte: „Ich kam in dieser Freitagnacht um vier Uhr morgens nach Hause, hockte mich aufs Dach und hörte bis zum Morgengrauen ‚Getaway Car’ und ,Maroon’, beobachtete den Sonnenaufgang über Brooklyn zu ‚Marjorie’ und fragte mich, wie ich zwei weitere Nächte durchstehen sollte.“

Taylor Swift auf dem Weg zur 67. Grammy-Verleihung.
Taylor Swift auf dem Weg zur 67. Grammy-Verleihung. © picture alliance/dpa/Invision

Aha, den Leser interessieren jedoch andere Fragen, etwa „wie Taylor Swift die Popmusik neu erfand“, doch die Antwort bleibt aus. Und zur Musik erfährt man hauptsächlich, welche Songs dem Autor gefallen oder nicht.

Erhellend ist dagegen das Kapitel über Taylor Swifts eigene Besessenheit von den Liedern anderer Stars wie Stevie Nicks, Carly Simon, Paul McCartney oder der lange vergessenen Countrysängerin Lesley Gore. Taylor Swift konnte auch deshalb ein so starkes Verhältnis zu ihren Fans aufbauen, weil sie ganz ähnlich fühlt wie diese: Sie ist selbst ein Fan.

Rob Sheffield: „Heartbreak is the National Anthem. Wie Taylor Swift die Popmusik neu erfand“ (Penguin TB, 224 Seiten, 18 Euro)

Wer in die Musik einsteigen will, ist hier richtig

In der bewährten Reihe „Alle Songs“ des Delius Klasing Verlags werden seit Jahren die Gesamtwerke großer Bands und Popkünstler vorgestellt: von den Beatles und Bob Dylan bis zuletzt Queen, David Bowie und Metallica. Taylor Swift ist die erste Künstlerin unter sechzig Jahren, die in der Reihe aufgenommen wird.

Das Buch über alle Songs von Taylor Swift.
Das Buch über alle Songs von Taylor Swift. © Verlag

Das sagt schon viel über das schon jetzt beeindruckende Werk der 36-Jährigen. Wie die anderen Bände schildert „Taylor Swift: Alle Songs“ knapp, übersichtlich und schnörkellos das Leben und die künstlerische Entwicklung, zeigt viele tolle Bilder, stellt Taylors Mitstreiter vor und natürlich alle Songs der Diskographie - und das sind insgesamt bereits 248. Knapp werden die Inhalte und Hintergründe der Texte geschildert, doch der besondere Mehrwert sind die detaillierten Erläuterungen zu den Aufnahmen.

Die werden bei der Erklärung des Phänomens Taylor Swift oft - auch in Rob Sheffields Biographie - zu wenig gewürdigt: Viele Lieder sind toll, manche genialisch, doch erst die Produktionen bringen sie zum Klingen.In dem Band wird Song für Song skizziert, wie sie im Studio entstanden. Zum Beispiel wie der kongeniale Produzent Jack Antonoff bei dem Album „Midnights“ mit analogen Instrumenten, Bandmaschinen und Vintage-Synthesizern diesen betörenden Sound schuf, der so sehr nach später Nacht klingt. Den Opener „Lavender Haze“ baute er um einen Loop, der von einer Session für ein Album von Zoé Kravitz übrigblieb.

Was den Trend der Freundschaftsbänder auslöste

Beim folgenden „Maroon“ baute er mit einem primitiven Drum-Computer, Synthesizern, effektüberladenen Gitarren und einem alten Vocoder den Sound des Cold Wave der späten Achtziger nach. Und so weiter: Wer richtig tief in die Musik der Taylor Swift einsteigen will, ist hier richtig.

Taylor Swift Fans zeigen ihre Armbänder, auf denen Teile von Songtexten zu lesen sind.
Taylor Swift Fans zeigen ihre Armbänder, auf denen Teile von Songtexten zu lesen sind. © picture alliance/dpa

Und wer sich für die Texte und deren Wirkung interessiert, erfährt beispielsweise, dass der Song „You’re On Your Own, Kid“ Stevie Nicks bei der Trauerarbeit half, nachdem Fleetwood-Mac-Kollegin und Freundin Christine McVie gestorben war. Und dass eine Zeile des Songs („So make the friendship bracelets“) den Kult um die Freundschaftsarmbänder auslöste.

Die tauschten die Fans auch bei den magischen Nächten im Münchner Olympiastadion zu Zehntausenden aus.

Damien Somville und Marine Benoit: „Taylor Swift. Alle Songs. Die 248 Storys hinter den Liedern“ (Delius Klasing Verlag, 496 Seiten, 69,90 Euro)

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