Die Beschwerdeführer
Das moderne Leben stinkt: Die Fehlfarben sind auf ihrem neuen Album unzufrieden
Ein Krisenalbum, was sollten die Fehlfarben 2010 sonst machen. „Glücksmaschinen“ heißt der Titelsong. Peter Hein lamentiert: Man weiß nicht mehr, wo die Bösen sitzen, selber sitzt man im Eigenheim. Was bleibt, ist das Funktionieren als „Glücksmaschine“. Ja nun. Schwach für eine zentrale deutsche Punk-Band, die 1980 mit „Monarchie und Alltag“ die heimische Szene durchrüttelte, 2002 mit „Knietief im Dispo“ wieder aufschlug. Dynamisch an diesem Album ist der von Moses Schneider produzierte Sound. Er muss Texte nach vorne ziehen, in denen Hein sich über Freundezählmaschinen beschwert und „Ihr habt die Uhr, wir die Zeit“ mault.
Es gab eine Zeit, da feierte Punk die Tristesse. „Optimieren, sanieren, endlich wieder fremd riskieren – ausgebraucht, ausgesaugt und ausgelaugt. Aufgeraucht“, singt Hein heute. Mit dem Duktus schulmeisterlicher Empörung über diese zombiehaften Businesshüllen. Was wäre gewesen, hätte man diese zutiefst blödsinnigen Begriffe gefeiert, solange, bis sie sich aufgedunsen von der Wirklichkeit abheben, um sie dem System zurück in den Rachen zu stopfen? Auf dass es sich daran verschlucke.
Im letzten Song „Respekt?“ hat Hein alternativ einen nur wenige Zeilen dauernden Wutausbruch gegen die Begriffe „Ehre“ und „Respekt“. Es ist die Ausnahme auf dieser CD. Auch ein unironisches Eingreifen ist möglich. „Keine Macht für Niemand“, das Ton-Steine-Scherben-Album von 1972, ergreift gerade heute wieder mit historischen Abstrichen in seiner Kombination von Hausbesetzer-Utopie und Frontalangriff.
Christian Jooß
Fehlfarben: „Glücksmaschinen“ (Tapete)