Die aus der Kurve fahren

Wildes Leben: Ludivine Sagnier und Diane Kruger in „Barfuß auf Nacktschnecken”
Michael Stadler |
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Lily kennt keine Berührungsängste, keine Hemmungen. Im Gegenteil. Sie spricht ihre Gedanken direkt aus, geht unter die Haut, unter das Fell, das sie toten Tieren abzieht, um aus ihnen etwas Tragbares zu machen, einen Hut etwa oder Pantoffeln. Ein Naturkind ist sie, eines, dass draußen einen Spielplatz für ihren unbändigen Willen, ihre Kreativität findet. Die Krallen ihres Haustiers, einem Truthahn, lackiert sie rot, Bäume ummantelt sie nett vor Kälte schützend mit Häckeldecken. Aus ihrem Reich, einem Landsitz, lässt sie sich schwer herauslocken, auch nachdem ihre Mutter überraschend, zu Beginn von „Barfuß auf Nacktschnecken”, mit dem Auto aus der Kurve fährt, ab in die südfranzösische Landschaft, hirntot.

Ein Tod, ein Begräbnis und dann stellt sich die Frage der Fürsorge, wobei in Fabienne Berthauds Film, basierend auf ihrem eigenen Roman, gar nicht so klar ist, wie man mit dieser Lily umgehen soll. Sie ist eine Zumutung für ihre Umgebung und gleichzeitig herrlich befreit. Ein Gegenentwurf zu ihrer Schwester Clara, die in der Stadt, im Anwaltsbüro ihres Mannes, als Gehilfin arbeitet und ich gezwungenermaßen, dann mehr und mehr freiwillig, in Lilys ländliches Dasein hineinziehen lässt, mit ihr im Bach badet, im Gras liegt, die Zeit vergehen lässt.

Berthaud beobachtet sie dabei und mutet dem Zuschauer erzählerischen Leerlauf zu, weil es eben bei Lily gerade darum geht: sich treiben lassen, seinen Impulsen folgen. Spannung kann nur aufkommen, wenn Claras Ehemann mit seinen Eltern auftaucht, und der Hund der Schwiegermutter verschwindet. Oder wenn ein paar kräftige Männer vorfahren, Freunde von Lily, angeblich vom Roten Kreuz, die übernachten wollen, allein mit den Frauen. Berthaud führt ihre Heldinnen klar weg vom Bürgerlichen, auf den Weg ins Ungewisse, und da Ludivine Sagnier und Diane Kruger, die eine als Lily entfesselt, ganz Kind, die andere als Clara mit viel Contenance, die aufbricht, sich ihr anschließt, in lichtdurchfluteten, spontan wirkenden Bildern, könnte sich auch der Zuschauer verführt fühlen, dem Müßiggang gespannt, entspannt zu folgen.

Kino: ABC, Eldorado, Theatiner OmU; R: Fabienne Berthaud (F, 103 Min.)

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