Die Angst vor der Liebe
Heute Premiere im Residenz Theater: Jan Philipp Gloger inszeniert Shakespeares Komödie „Viel Lärm um nichts“ mit Shenja Lacher und Stephanie Leue als streitbarem Paar wider Willen
Diese Beatrice könnte eine Schwester der widerspenstigen Katharina sein: genauso aufmüpfig und selbstbewusst, aber noch scharfzüngiger und schlagfertiger. In seiner Komödie „Viel Lärm um nichts“ gab ihr William Shakespeare einen gleichwertigen Widerpart – den Spötter Benedict, der sich ebenso wie sie nie verlieben will. Damit sie sich doch kriegen, helfen ihre Freunde kräftig nach. Jan Philipp Gloger inszeniert das Stück in der Übersetzung von Adolf Wilbrandt (1837– 1911). Mit dem Benedict von Shenja Lacher kabbelt sich Stephanie Leue als Beatrice.
AZ: Frau Leue, Beatrice ist eine emanzipierte Kratzbürste mit viel Witz. Ganz das Gegenteil ihrer braven, angepassten Cousine Hero.
STEPHANIE LEUE: Bei uns gibt es nur diese beiden Frauenfiguren: Hero, die fast nichts sagt, und Beatrice, die ständig spricht in einer Männergesellschaft, sich auch widerspricht und manchmal um Kopf und Kragen redet. Die Männer ziehen in den Krieg, die Frauen werden verheiratet und sitzen zu Hause. Dagegen setzt sich Beatrice zur Wehr. Sie will ihre Unabhängigkeit behalten.
Zielscheibe ihres Spotts ist Benedict. Das lässt vermuten, dass er ihr keineswegs so zuwider ist, wie sie tut.
Das Gefecht ist ganz auf beide zugeschnitten, und er ist ihr ein ebenbürtiger Partner im Schlagabtausch. Da war schon mal was zwischen ihnen. Was sich liebt, das neckt sich: da ist was dahinter.
Und warum haben beide so heillose Angst vor der Liebe?
Beatrice gefällt sich, wie sie ist, dass sie brillant Spitzen abschießen kann. Sie hat Angst, das zu verlieren, jemand an sich ranzulassen und enttäuscht zu werden. Und da Benedict ihr offenbar schon mal nahe war, ist die Angst umso größer, deshalb werden die Schrauben enger gedreht.
Auch Benedict hat geschworen, Junggeselle zu bleiben.
Er hat einen ganzen Katalog unmöglicher Vorstellungen, die niemand erfüllen kann. Beide haben wahnsinnig Angst, eingefangen zu werden und an Souveränität zu verlieren. Indem sie sich über den anderen lustig machen, schaffen sie Distanz. Sie wollen sich nicht hingeben, bis zum Schluss kämpfen sie, wer die bessere, witzigere Replik hat.
Aber als ihre Freunde die Intrigenlunte zünden, kippen sie erstaunlich schnell um.
Der starke Moment des Verliebens wirft beide aus der Bahn, ihre Welt gerät ins Schwanken. Aber sie versuchen, sich zu justieren und geben das gegenseitige Abtasten nicht auf.
Bei William Shakespeare spielt die Komödie in einer höfisch-patriarchalischen Gesellschaft. Wie holt man das ins Heute?
Glogers Inszenierung spielt im Mafia-Milieu, wo die Männer den Ton angeben und die Frauen eher Beiwerk sind. Es geht um Macht und Geld – die Romanze zwischen Hero und Claudio ist ja auch keine reine Liebesgeschichte, sondern da geht’s um die Mitgift. Bei uns spielt das in einer klaren Männergesellschaft, in der reale Kämpfe ausgetragen werden.
Im Pressetext heißt es, dass die Männer am Ende wieder in den Krieg ziehen. Davon steht nichts bei William Shakespeare.
Das ist unsere Setzung. Es war dem Dramaturgen wichtig, dass es eine Realität drum herum gibt. Und die Männer ändern sich ja auch nicht, wenn sie nach Hause kommen.
Das zweite Liebespaar im Stück, Hero und Claudio, findet sich problemlos. Doch weil ein Finsterling Hero als sittenlos verleumdet, macht Claudio bei der Trauung Skandal und verschmäht sie.
Das ist ein Spiegel der Verliebtheit von Beatrice und Benedict: Wie weit kann man fallen? Die Erschütterung reißt Hero ins Bodenlose.
Auch ihr Vater distanziert sich sofort von der Tochter.
Da ist die Folie der Männergesellschaft wichtig. Die Tochter ist des Vaters Eigentum, und plötzlich ist das faulig. Das Geschäft mit dem Schwiegersohn platzt, durch die Beschmutzung des Mädchens ist seine Ehre in den Dreck gezogen. Man muss gar nicht an Ehrenmorde denken, aber da bricht ein Status zusammen.
Sie spielen sonst, z. B. als Medeia, eher schwerere Figuren.
Auch bei komischen Rollen probiert man, ernsthaft mit der Figur umzugehen. Man sucht ja auch im Schweren die leichten Momente und im Komischen die ernsthaften. Bei Komödien fehlt einem manchmal auf den Proben das Publikum – an dessen Reaktionen merkt man, ob die Dynamik funktioniert.
Gabriella Lorenz
Residenz Theater, heute 19 Uhr, Tel. 2185 1940
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