Dick aufgetragen: "Masurca Fogo“ im Nationaltheater
Es geht um Zärtlichkeit, Hingabe, um die Kunst des Überlebens und die Liebe zur Natur: Pina Bauschs „Masurca Fogo“ als Gastspiel bei den Ballettfestwochen im Nationaltheater
Schade, dass am Ende ziemlich dick aufgetragen wird. Da bedecken riesige Bühnenprojektionen die am Boden liegenden Paare. Blüten öffnen sich im Zeitraffer. Und aus dem Off erklingt: „All I need is the air that I breathe“. Gut gemeint, aber unsäglich kitschig.
Das Stück entstand 1998 in Lissabon. Im Hintergrund der Bühne türmt sich ein Lava-Felsen (Peter Pabst). Die gleißenden Lichteffekte signalisieren einen spätsommerlichen Nachmittag an einem südlichen Strand. Eine Gruppe von Männern und Frauen trifft sich und zeigt Gefühle: zur Fado-Musik von Amália Rodrigues, zu Tango-Klängen, brasilianischer Samba-Euphorie und wilden Trommel-Ekstasen.
Wie bei Pina Bausch üblich, wird auch in „Masurca Fogo“, mit der die Compagnie aus Wuppertal im Rahmen der Ballettfestwochen im Nationaltheater gastiert, nicht nur getanzt. Wasserspiele erinnern an allseits bekannte Zirkus-Clownerien. Kalauer werden erzählt, etwa der, dass es drei Arten des Orgasmus gäbe, den positiven: „O! Yes, O! Yes“, den negativen: „O! No, O! No“ und den metaphysischen: „O! God, O! God.“ Das Publikum klatscht begeistert.
Fantasie ist gefragt. Männer legen sich der Reihe nach auf den Boden und lassen eine Frau auf ihren Händen durch die Luft schweben. Jeder hat seine persönliche Geschichte: über die Großmutter, die von allen geliebt und begehrt wurde, über die Positionskämpfe mit dem Partner, dem man in einem stummen Duell Wasser ins Gesicht schüttet. Die Soli der Tänzer wirken gelegentlich allzu stereotyp, aber die Botschaft ist klar. Kraft lässt sich auch aus den unbedeutenden Abwechslungen des Alltags schöpfen.
Gegen Ende kann „Masurca Fogo“ mit einem geradezu rührenden Einfall punkten. In Windeseile baut sich das Ensemble eine kleine Hütte auf die Bühne und feiert darin ausgelassen, wie es sich glamouröser auch in der teuersten Disco nicht arrangieren ließe. Wer seine Träume liebt, braucht die Wolken am Himmel nicht zu fürchten. Ovationen Ehrensache – kein Wunder bei so viel Rampen-Glück und Bühnen-Optimismus.
Volker Boser
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