Der unbekannte Held des Rock
Er formte Songs der Rolling Stones, Beatles, The Who, der Kinks und vieler anderer: Julian Dawson zeichnet in seiner Biografie des Pianisten Nicky Hopkins nicht nur dessen Leben nach, sondern gibt Einblicke in den Alltag im Studiosystem
Nicky Hopkins? Der Prozentsatz derer, die mit diesem Namen nichts verbinden, ist hoch. Der Prozentsatz derer, die schon einmal eine Berührung mit Popmusik hatten und noch nie Nicky Hopkins gehört haben, dürfte gegen Null tendieren. Seine dunklen Akkorde bringen John Lennons „Imagine“ auf den Weg, sie sind die Glockenschläge in „Sympathy For The Devil“ der Stones, sie sind die Varieté-Blues-Sprengsel im Kinks-Song „Death Of A Clown“, betten Joe Cockers Stimme in „You Are So Beautiful“.
Seine letzte Aufnahme war „You’re Listening Now“, eine Hopkins-Komposition, zu der Julian Dawson den Text geschrieben hatte. „Nick Hopkins. Eine Rock-Legende“ hat Julian Dawson seine jetzt in der Edition Elke Heidenreich erschienene Biografie und Würdigung eines späten und 1994 gestorbenen Freundes genannt. Geboren 1944 in London während eines Luftangriffes, war Hopkins ein Kind jener Generation, die in den Nachkriegstrümmern aufwuchs, um im amerikanischen Rock’n’Roll ein Versprechen für ihre Jugend zu finden. Seinen persönlichen Einstieg in diesen Traum fand Hopkins Anfang der 60er mit den Savages, einer Band, die zum Selbstdarstellungsraum des überexzentrischen Screaming Lord Sutch wurde.
Trotz zaghafter Annäherung an das Keyboardwesen der 80er sind die großen Hopkins-Momente die, in denen er seine runde und grundbluesige Begleitung in die Konzertflügel legt. Julian Dawson nähert sich dem unübersichtlichen Schaffen von Hopkins, indem er behutsam die Chronologie aufbricht und in seinen Kapiteln die Arbeit erst einmal nach den wichtigsten Bands bündelt. Das ist bei einem Leben zwischen England und den USA, zwischen dem britischen Beat und dem Aufscheinen in der psychedelischen Frisco-Szene zwischen Jefferson Airplane und Quicksilver Messenger, die beste Möglichkeit, um die kaum zu überblickende Diskografie in eine konzentrierte Erzählform zu bringen. Selbst die Musicland Studios im Münchner Arabella-Haus lernte Hopkins Mitte der 70er mit den Stones kennen. Auf einer Postkarte an die Mutter lobte er: „Es ist auf jeden Fall die schönste deutsche Stadt, die ich je besucht habe.“
Frei von Eitelkeit
Wer sich heute noch einmal auf sein Piano konzentriert, merkt, dass Hopkins’ Kunst vor allem durch die Abwesenheit jeglicher Eitelkeit bestimmt ist. Sein Klavier ist anwesend. Und nur wer will, kann die Eleganz, Effizienz und den Reiz des Ornamentalen in den winzigsten Wendungen goutieren. Nicky Hopkins, dessen Solo-Versuche ihn nie wirklich in andere Sphären führten, war der perfekte Sidekick für einen Star. Und wurde zu einem der wichtigsten Session-Pianisten der 60er und 70er Jahre. Das mythische Rock’n’Roll-Leben ging lange Zeit an ihm vorbei. Hopkins ging zur Arbeit und kehrte Abends heim zu seinen Eltern – zu Tee und Cookies.
Alkohol und Drogen, die dann doch auf Tourneen mit den Rolling Stones in sein Leben kamen, bedrohten existenziell seine fragile, eh schon, wahrscheinlich durch die Darmerkrankung Morbus Crohn, geschwächte Konstitution.
Als Musiker hat Dawson nicht den distanzierten Blick, sondern gibt mit dieser Biografie auch Einblicke in die Studiomaschine. Hier verdient der Star, die Zulieferer haben sich, auch wenn ihr Spiel die Hits unverkennbar erst zu diesen machte, mit festgelegten Sätzen zu bescheiden. Sechs Pfund und 10 Shilling – das war der Lohn dafür, dass sich Nicky Hopkins 1968 bei seiner ersten Session mit den Beatles, auf „Revolution“ ein weiteres Mal in der Popgeschichte verewigte.
Christian Jooß
Julian Dawson: „Nicky Hopkins. Eine Rock-Legende“ (C. Bertelsmann, 400 Seiten, 22.95 Euro)
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