Der "Tatort: Siebenschläfer" in der AZ-Kritik
Da denkst du, dein Babe will mit dir wie bei Bruce Springsteen born-to-run-mäßig in die Welt hinausgehen, und in Wirklichkeit braucht sie dich nur, um das Schloss am Heimfenster für ihre Flucht zu knacken. Wenn du dann noch zu Gewaltausbrüchen neigst wie Danger in "Fack ju Göhte", hier aber im Krimi, nicht in einer Komödie, dann darfst du dich nicht wundern, wenn du bald einen der vorderen Plätze der Fahndungsliste belegst.
Im Dresdner "Tatort: Siebenschläfer" (Buch: Silke Zertz und Frauke Hunfeld, Regie: Thomas Sieben) wird der Jugendhilfe-Sozialstaat auf die Anklagebank gesetzt, und seine Institutionen dürfen sich verteidigen, und irgendwie haben auch alle recht. Überall Personalmangel, nirgendwo Geld, viele Sorgen allerorten. Da liegt es nahe, die Kinder im Heim "Siebenschläfer" mit Tabletten zu sedieren.
Aber darf man sie für eine Medikamentenstudie heranziehen? Eine Szene zeigt, wie die Heimleiterin (Silvina Buchbauer) den Kindern Tabletten verabreicht und mit einem Blick in den Mund prüft, ob sie die auch wirklich geschluckt haben.
Allerlei falsche Fährten
Kein Wunder, dass die Kinder da weg wollen. Und kein Wunder, dass viele Menschen ein Motiv hätten, diverse Menschen zu töten. "Siebenschläfer" legt allerlei falsche Fährten, für den armen verliebten Wüterich Pascal wie für die Zuschauer. Auch wir wissen bald nicht mehr, mit wem Lilly (Dilara Aylin Ziem) denn nun durchbrennen wollte.

Und weil es derzeit keinen "Tatort" ohne Abschied gibt: Karin Hanczewski ist nicht mehr als Karin Gorniak dabei, also muss Chef Schnabel (Martin Brambach) selbst mit ran und stakst und stolpert neben Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) durch die Landschaft. Winkler muss ihren Chef, als der mit baren Fingern in die Beweismittel greifen will, diskret ein mahnendes "Handschuhe" zuraunen.

Ein Gedicht von Thomas Brasch
Schnabel hat aber auch zwei der schönsten Szenen in "Siebenschläfer". Wir erfahren, dass auch er - damals noch in DDR-Zeiten - für ein paar Jahre im Heim war, und sehen, wie er mit Pascal von Ex-Heimkind zu Heimkind redet (was therapeutisch vermutlich mehr bringt als alle Tabletten der Welt). Und am Ende rezitiert Schnabel das Wo-gehöre-ich-hin-Gedicht "Was ich habe, will ich nicht verlieren" vom DDR-Lyriker Thomas Brasch.

Zwei schmerzhafte Dinge: Die Überrumpelung der Mörderin haut rein räumlich so irgendwie nicht hin. Und Lillys tatsächlicher Todesgrund sieht in bisschen aus wie aus "Die nackte Kanone". Merke: Willst du flüchtern, tu dies nüchtern. Trotzdem sehenswert.
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