Kritik

Der schönste Animationsfilm seit langem: "Robot Dreams"

In Cannes beklatscht, knapp am Oscar vorbei: Der ergreifende und wahrhaftige Animationsfilm erzählt von Einsamkeit und Freundschaft - und über allem liegt ein großartiger musikalischer Groove
von  Adrian Prechtel
Mit eienr unfassbar liebevollen Gefühl für authentische Details: "Robot Dreams" spielt in New York.
Mit eienr unfassbar liebevollen Gefühl für authentische Details: "Robot Dreams" spielt in New York. © Plaion Pictures

Geschlagen geben musste sich Pablo Bergers Film bei der diesjährigen Oscarverleihung dem alten japanischen Großmeister Hayao Miyazaki mit "Der Junge und der Reiher". Der ist ein psychologischer Kindheitsrückblick.

Etwas Nostalgie trägt auch "Robot Dreams", der vergangenes Jahr in Cannes beklatscht wurde. Er spielt im New York der 80er Jahre - vom East Village über Soho bis zum alten Vergnügungspark Coney Island. Aber die Fragestellungen hinter der Geschichte eines Hundes und eines Roboters sind zeitlos, ortlos, universell.

Der Hund fährt mit Robot nach Coney Island, wo ein wildes Gefühl von Sommerferien herrscht, auch wenn sich einige schweinisch aufführen.
Der Hund fährt mit Robot nach Coney Island, wo ein wildes Gefühl von Sommerferien herrscht, auch wenn sich einige schweinisch aufführen. © Plaion Pictures

Auch zeichnerisch ist der Film in seiner analogen Form einerseits retro, andererseits ganz modern: mit kühnen Kamerafahrten, Drohnenperspektiven, wilden Drehungen - wie aus der Perspektive einer Bowlingkugel - oder mit umklappenden Dimensionen wie bei Christopher Nolans "Inception". . Bei alledem bleibt der Film aber angenehm ruhig. Dabei wimmelt es auch noch von amüsanten Details und geistreichen Anspielungen. Der Hund zum Beispiel hat "Friedhof der Kuscheltiere" auf dem Nachttisch. An der Brooklyn Bridge blinkt Woody Allens "Manhattan" auf. Rührende Details werden erfunden, wie Gesichter-Malen auf beschlagenen Scheiben eines Bus, bei denen dann das Kondenswasser Tränen laufen lässt.

Die großen Themen Einsamkeit und Freundschaft

Wir sind noch in der vordigitalen Zeit. Und der Hund der Geschichte, die nur von Tieren bevölkert ist, fühlt sich einsam, zappt abends durch die TV-Programme - und stößt beim Teleshopping auf das moderne Versprechen, mit Technik die Einsamkeit zu überwinden: mit einem ikea-artigen Selbstzusammenschraub-Roboter, der ein echter Lebensgefährte sein soll. Der Hund greift zu, das Paket kommt. Und es ist wirklich der Beginn einer wunderbaren Freundschaft - in einem wunderbaren Film.

Es wäre eine klassische Romantische Komödie, die von einem ungleichen Paar erzählt, das erst einmal getrennt wird und dann ums Zusammenkommen kämpft. Denn Robot geht der Saft aus - mitten im Sommer. Der Hund versucht verzweifelt und heldenhaft seinen verrostenden Freund wieder flott zu bekommen. Die Saison endet, der Roboter aber muss immer noch hilflos am Strand liegen. Es beginnt ein Verfallsprozess, auch der Freundschaft - durch Trennung, später Ablenkung und Einsicht in die Vergeblichkeit.

Der Groove von New York und den 80er Jahren liegt auch musikalisch über dem Film.
Der Groove von New York und den 80er Jahren liegt auch musikalisch über dem Film. © Plaion Pictures

Das ist eine der vielen Stärken von "Robot Dream": Die Liebe und Freundschaft sind hier stark, aber sie werden nicht märchenhaft verklärt. Das Happy End ist vielmehr in seiner Wahrhaftigkeit großartig: Alle haben ihr Bestes gegeben, manches aber war nicht rettbar, Verwundungen bleiben, auch Nostalgie. Aber das Leben geht weiter - auch mit der Chance eines Neuanfangs.

Cannes und fast ein Oscar sind die Qualitätsgarantien

Der Film hebt natürlich und selbstverständlich die Grenzen zwischen technischen (Robotern) und natürlichen Wesen (hier ausschließlich Tiere) auf. Wir befinden uns somit in einer bunten, diversen und lustigen Gesellschaft.

Dass all diese detailreichen und psychologisch tiefen Erzählungen dabei ohne ein einziges gesprochenes Wort auskommen, ist eine weitere Leistung und großer Zauber des spanischen Regisseurs Pablo Berger. "Robot Dreams" ist bei alledem kein Kinderfilm, vielmehr ein Erwachsenenfilm, der vielleicht für Kinder ab sechs Jahren zu empfehlen ist, weil hier - bei aller Hoffnung und Neuanfang - auch Träume platzen.

K: Leopold und Cinema
R: Pablo Berger (E, 102 Min.)

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