Der Schöne und die Briest

Ein emanzipatorischer Ansatz: Die Regisseurin Hermine Huntgeburth über Effis Briests Triebe und Fontanes aufregende Literatur, die sie mit Julia Jentsch in der Titelrolle verfilmt hat
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Ein emanzipatorischer Ansatz: Die Regisseurin Hermine Huntgeburth über Effis Briests Triebe und Fontanes aufregende Literatur, die sie mit Julia Jentsch in der Titelrolle verfilmt hat

Ganz modern ist Hermine Huntgeburths Neuverfilmung von Theodor Fontanes großem Liebes- und Ehebruchsroman „Effi Briest". Julia Jentsch in der Titelrolle verkörpert eine starke und leidenschaftliche Frau, die sich gegen ihren konventionellen Gatten Baron von Instetten und gegen eine verlogene spießbürgerliche Gesellschaft stellt, ihren eigenen Regeln folgt. Sie ist kein Opfer, sondern ihrer Zeit voraus und geht selbstbewusst ihren Weg. Ab morgen ist die Verfilmung im Kino.

AZ: Was gefällt Ihnen an dieser "neuen" Effi?

HERMINE HUNTGEBURTH: Sie wirft die Zwänge ab, ist in ihrer Sexualität und ihren Gefühlen selbst bestimmt. Nach Ihrer Affäre sagt sie: „Ich habe ihn nicht geliebt, aber ich bereue nichts". Genau das ist der Punkt. Eine junge Frau in Aufbruchstimmung. Die Sexualität geht von ihr und Major von Crampas aus. Was bei Fontane zwischen den Zeilen zu lesen ist, habe ich versucht, darzustellen, es geht um den Einfluss der Gesellschaft auf Beziehungen. Bei der ersten sexuellen Begegnung wird sie nicht verführt, sondern entscheidet selbst, sich „hinzugeben". Ein bewusster Schritt. Effi entdeckt ihr Inneres und lebt ihr eigenes Verlangen aus.

Als Meilenstein diverser „Effi Briest"-Verfilmungen gilt Rainer Werner Fassbinders Schwarz-Weiß-Adaption von 1974. Wo liegen die Stolperfallen bei einer Neuinszenierung?

Natürlich macht man sich vorher Gedanken. Aber letztendlich muss man die Sache anpacken und nicht ständig grübeln, wie haben das die anderen gemacht, wie werde ich verglichen. Wir versuchen, historisch authentisch zu bleiben und dennoch eine Modernität zu finden.

Was macht Julia Jentsch zur idealen Effi?

Es steht nicht die große Dramatik im Vordergrund, sondern die leise Entwicklung der Hauptfigur, das kleine Spiel macht sie zur großen Schauspielerin. Über lange Strecken gibt es keinen Konflikt, keine Auseinandersetzung. Da den Bogen zu ziehen und eine Spannung zu halten, die inneren Bewegungen nachzufühlen, ist eine ziemliche Herausforderung. Julia Jentsch beweist als Effi Kraft und innere Stärke, sie zieht durch ihre Ruhe in den Film und in die Figur hinein.

Die Figur des Baron von Instetten ist sehr konservativ, aber nicht unbedingt unsympathisch.

Männer wie er, die glauben, alles und alle müssten um sie kreisen, sind heute auch keine Seltenheit. In anderen Verfilmungen wurde Instetten als unangenehmer und verknöcherter Typ dargestellt. Darum geht es aber nicht. Seine Attraktivität war auch sein Stand und seine gesellschaftliche Stellung. Ich wollte ihn nicht als langweiligen Alten präsentieren, er konnte auch nicht aus seinen Konventionen heraus. Die Kombination von Julia Jentsch und Sebastian Koch sorgt für Reibung und Spannung.

In der Schule war „Effi Briest" nicht gerade Ihre Lieblingslektüre. Wie könnte man Literaturunterricht lebendiger und für Schüler interessanter gestalten?

Indem man auf die Subtexte eingeht. Es gibt in diesem Roman aufregende Links, es kommt immer darauf an, wie man darüber spricht, wie tief man in der Literatur bohrt. Der Unterricht sollte kontrovers sein und Schülern die Möglichkeit geben, Dinge zu entdecken, nicht nur die Geschichte 1:1 zu sehen.

Haben es moderne Frauen heute so viel besser als im ausgehenden 19. Jahrhundert?

Im Geschlechterverhältnis hat sich nicht viel geändert, die Auseinandersetzung zwischen Mann und Frau um Selbstbestimmung, auch im Bereich von Sexualität und Gefühlen, bleibt. Das beweist die immer wieder aufkochende Diskussion, ob eine emanzipierte Frau ein Stück Weiblichkeit oder Familie aufgeben muss. Ein Unsinn. Meine Tochter hat gerade Abitur gemacht, wir leben in Altona, einem multikulturell geprägten Viertel Hamburgs. Diese Generation von Mädchen, auch die Migrantinnen, werden sich in Zukunft behaupten.

Margret Köhler

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