Der Räuber Hotzenplotz spuckt Bonbons

Mit dem Künstler- Kollektiv Showcase Beat Le Mot landet die freie Szene im Marstall
Michael Stadler |
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Den Pädagogen mag es gruseln, aber auch ein mit Pfeffer schießender Räuber erweckt potzblitz einiges an Sympathie. Besonders (aber nicht nur) bei den Kleinen. „Die Kinder fiebern am meisten mit Kasperl und Seppl mit”, erzählt Veit Sprenger, einer der vier Mitglieder von Showcase Beat Le Mot, die morgen ihren „Räuber Hotzenplotz” im Marstall spielen.

„Aber sie haben großen Gusto für Hotzenplotz und den Zauberer Petrosilius Zwackelmann, weil die verbotene Sachen machen: Es wird mit Bonbons herumgespuckt, das Publikum beschimpft, dazwischengerufen. Wenn die Kinder das sehen, kommen sie in die angenehme Situation, dass sie den Großen sagen können, guck mal, die machen das auch.”

Der Spaß am Zersetzen und Neufügen der (theatralen) Ordnung treibt die internationale Performance-Boygroup seit ihrer Gründung 1997 an. Kennengelernt haben sich Nikola Duric, Dariusz Kostyra, Thorsten Eibeler, Veit Sprenger und Florian Feigl – Letzterer stieg 2004 aus – als Studenten des Instituts für Angewandte Theaterwissenschaften in Gießen, das gereifte Bühnentalente und Performance-Truppen wie Rimini Protokoll, Gob Squad, SheShe Pop oder eben Showcase Beat Le Mot wie Bonbons ausspuckt.

Eine Kampfansage an die Sprache schwingt im Beat Le Mot mit. „Stimmt”, meint Sprenger, „wir machen Bildertheater, aber wir mögen auch sehr gern die gesprochene Sprache sowie Musik. Wir setzen also ‚ein Beat über das Wort’.”

Ihre Produktionen erarbeitet das Quartett im Stile einer Musikband gemeinsam, wobei sie sich für das Aufladen ihrer kreativen Batterien Zeit lassen: „Die Anfangsphase für ein Projekt dauert im Schnitt bis eine Woche vor der Premiere. In der Zeit besuchen wir Ausstellungen, Konzerte, gehen ins Kino. Wir halten uns die Köpfe frei, nehmen Eindrücke auf, die ins Stück einfließen. In den letzten Tagen vor der Premiere bricht dann die Hölle los. Dabei wird präzise an den Abläufen gearbeitet.”

So haben sie in ganz Europa viel beachtete Produktionen erarbeitet. Ihre Version von Otfried Preußlers Kinderbuch „Der Räuber Hotzenplotz” voller Ragga-Lieder entstand 2007 für das Theater an der Parkaue in Berlin, war bereits bei SpielArt zu sehen und eröffnet nun ein mehrwöchiges Showcase-Beat-Le-Mot-Feuerwerk im Marstall (morgen, Fr, So, 11 Uhr; Sa 15 Uhr). Auch in ihren anderen Performances verweist die Gruppe aufs Gemachte, befreit seine Zuschauer von Bühnenkonventionen. Der Weg zum Kindertheater war nicht weit – für das postdramatische Theater sind Kinder mit ihrer Offenheit ein gutes Publikum. „Das beste”, meint Veit Sprenger.

Während der Hotzenplotz in Bayern spielt, entführt die Truppe in ihrem zweiten Gastspiel „1534” (19.1. bis 21.1., 20 Uhr) in die protestantische Gegenwelt der Wiedertäufer, die im mittelalterlichen Münster ihre Vorstellung einer freien Gesellschaft leben wollten: „Das ist dann etwas gegen diesen gemütlichen restaurativen Katholizismus. Wobei wir selbst alles Katholiken sind!”

Auch ästhetisch Gleichgesinnte wird Showcase Beat Le Mot für Gastspiele nach München holen: In der Trilogie „Entertainment Island I – III” beschäftigt sich die finnische Tanzgruppe Oblivia mit den Strukturen der Unterhaltungsindustrie (24. und 25.1., 19.30 Uhr). Es folgt das Performance-Wochenende „Residenz Evil” mit noch mehr Gästen und Freunden (27. und 28.1. ab 18, 29.1. ab 14 Uhr). Zu guter Letzt erarbeitet die Kompagnie eine neue Performance mit Mitgliedern des Resi-Ensembles: „The Happy Ending of Kafka’s Castle” denkt Kafkas unvollendetes Werk ins Positiv-Utopische weiter (11.2. und 13. bis 15.2., 20 Uhr).

Mit der Einladung von Showcase Beat Le Mot macht das Residenztheater den Marstall weit auf für die freie Szene. Für wen ist das ein Fortschritt? „Entweder werden wir das Resi mit uns in die Hölle reiten”, meint Sprenger, „oder das Resi reitet uns mit sich in die Hölle. Auf jeden Fall wird es eine Höllenparty.”

Alle Veranstaltungen im Marstall; Karten Tel.21851940

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