Der Papst will ruhig schlafen
Explosives Polit-Kino und Slapstick auf der Berlinale: Der Magenschwinger »Tropa de Elite« und Stimmungsaufheller »Sparrows« im Wettbewerb um den goldenen Bären.
Daheim in Brasilien hat sich José Padilha (40) mit sozialkritischen Dokumentationen („Omnibus 174“) exponiert – und nun richtig Feinde gemacht, auch aus Regierungskreisen. Sein auf Doku- Material basierendes Spielfilmdebüt „Tropa de Elite“ (Eliteeinheit) sollen 2007 via Raubkopien an die zwölf Millionen Menschen und im Kino nochmal drei Millionen gesehen haben.
Es geht um eine Elitetruppe der Polizei (BOAP), die in Rio de Janeiro so hart operiert, dass sie als faschistoid gilt. Für die Berlinale-Vorführung, wo der Film im Wettbewerb läuft, war der Andrang ähnlich heftig wie bei Scorseses Stones-Doku. Ein erster Berlinale- Magenschwinger (der zweite folgt gewiss mit Errol Morris’ Abu-Ghraib-Doku „Standard Operating Procedure“).
Rio, 1997. Zu flackernden Video-Bildern einer Party mit Gangsta-Rap, sexy Chicas und gewaltbereiten Traficantes (Drogendealern) in einem Elendsviertel eine ruhige Stimme: „Rio de Janeiro hat über 700 Favelas. Fast alle werden von Traficantes kontrolliert. Bewaffnet bis an die Zähne.“ Diese Waffen werden „weltweit für Kriege benutzt, in Rio für Verbrechen“. Die Stimme gehört dem jungen Polizeioffizier Nascimento, Capitao der BOPE-Einheit Alpha und der Härteste der Harten. Wie viele Charaktere hat der Regisseur nach authentischen Vorbildern auch Nascimento geschaffen, und Wagner Moura spielt ihn facettenreich bis in Momente, wo der gestresste Kerl in den Armen seiner schwangeren Frau weint wie ein Kind.
Aus seiner Sicht und bewusst auf das Jahr 1997 konzentriert, ist der Film erzählt. Die alltäglichen Einsätze für Nascimento und seine Männer sind ohnehin wie Krieg (dieses Wort fällt oft). Sie stürmen Favelas, räumen unter Dealern (auch aus der weißen- Oberschicht) und manchmal aus Not korrupten Polizeikollegen auf. Kollateralschäden bei Unschuldigen gehören zur Tagesordnung wie Foltermethoden und die Angst vorm Sterben. 1997 gibt es besondere Herausforderungen.
Der Papst hat für eine Kurzvisite in Rio die Residenz nahe einer Favela gewählt, für den ruhigen Schlaf des Heiligen Vaters ist die BOPE zuständig. Ein brutaler Drogenboss mit Verbindung zu einer Studentengruppe, die sich neben der Kifferei auch einem Sozialprojekt widmet, soll ausgeschaltet und zwei anfangs idealistische, wagemutige Kollegen (um sie dreht sich ein weiterer Erzählstrang) müssen gerettet werden – auch das per dröhnendem Gemetzel. Für Nascimento wird einer von ihnen überlebenswichtig sein, denn er braucht einen Nachfolger. Regisseur Padilha setzt sich mit seinem spektakulär montierten, martialischem Film auch berechtigten Angriffen aus, aber letztlich zeigt er eine von der brasilianischen Regierung verdrängte Realität auf: Das Elend einer chancenlosen Masse ist übermächtig, kärglich bezahlte Polizisten sind eben korrupt. Gewalt schafft Gewalt, jederzeit, überall.
Ein Stimmungsaufheller war dann „Sparrow“ von Johnnie To (52). Der auf internationalen Festivals erfolgreiche Hongkong-Regisseur („Triangle“) lässt zu beschwingter Lounge-Musik und in gewohnter Videoclip-Action-Ästhetik ein Taschendieb-Quartett zu Werke gehen. Im Hongkong- Slang heißen Taschendiebe Spatzen (sparrows), und Kei (Simon Yam) ist ein besonders smarter Spatz. Als er samt seiner weniger begabten Freunde einer geheimnisvollen Schönen verfällt, die sie mit einem Spezialauftrag ködert, müssen sich Kei & Co mit dem größten Taschendieb Hongkongs messen. Ein Spatzen- Slapstick-Spaß. Angie Dullinger
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