Der Münchhausen von Solln

Georg Maier ist Patron, Ideengeber und Stückeschreiber der Iberl Bühne. Seine Mission: Volkstheater mit Hintersinn
Johanna Jauernig |
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Wie erzählt man die Geschichte eines Mannes, der von sich behauptet ein leidenschaftlicher Lügner zu sein? Ein Mensch, der Theater schreibt, Theater spielt, Theater ist und doch bei jeder Anekdote treuherzig beteuert, diese sei nun aber wirklich wahr.

Es ist kurz vor der Premiere des neuen Stücks „Madame Diredare”, eine Posse über eine geizige Pfandleiherin und ihren zum Vegetarismus konvertierten Schlachter-Ehemann, dem Bussarello Franze. Der Chef der Iberl Bühne, Georg Maier, sitzt seelenruhig hinter der Bühne. Zwei Heizstrahler bullern, in den Regalen der verwinkelten Garderobe stapeln sich Seidenblumen und Hüte. Um ihn herum lesen die Schauspieler in ihren Textheften, die mit den vielen Einzeichnungen und Farben wie Hieroglyphen wirken. Denn bis ins kleinste Detail in Rhythmus und Betonung austarierter Sprachwitz ist Georg Maiers Waffe gegen den Erzfeind Komödienstadel, wo seiner Meinung nach die Bayern genau das liefern, was der Preiß erwartet, den dummen, groben Bauerntrampel. Hintersinniges Volkstheater – das ist sein Lebenswerk.

Hoibschaarige, Ruachate und Guadmiatige

Gut 30 Stücke hat er in den letzten 45 Jahren auf die Iberl Bühne gebracht. Die Gestalten stammen aus seiner Vergangenheit – der Jugend im Schlachthofviertel, dem nieder bayerischen Hinterland oder den Jazz-Clubs der Nachkriegszeit, wo die Amerikaner dem Buam die Liebe zum Jazz einpflanzten. Wie viel von den Hoibschaarigen, Ruachatn oder Guadmiatign, die seine Stücke bevölkern, er tatsächlich getroffen hat, ist schwer zu sagen. Dass er aber jede Figur detailgetreu vor dem inneren Auge sieht, davon können seine Schauspieler ein Lied singen.

Er selbst spielt am liebsten die Bösewichte. Schon in Bogners Kultserie „Irgendwie und Sowieso” gab er den tragischen Fiesling Berti Binser. Genüsslich erzählt er eine Anekdote, die seinen zweifelhaften Ruf als ehemaliger Falschspieler und Theaterdespot noch befeuert: Bei der Grattler-Oper soll er den Stanzlinger – einen falschen Fuchzger, so überzeugend gespielt haben, dass zwei Herren im Publikum der festen Meinung waren: „auf der Bühne spuit er ned, so ist der wirklich, da herunten spuit er”.

In der „Madame Diredare” ist aus dem Fiesling ein sympathischer Filou geworden, der von seinem Ruhm, in der Oper Bajazzo zwei Sätze gesungen zu haben nicht nur seinen Namen, sondern auch seine Gandezza als selbsternannter „Cosmohydrant” zieht.

Nachtigall nennt Maier seine blutjunge Freundin

Altersmilde gegen sich selbst? Wohl kaum. Viel eher hat sich der Theatermensch selbst karikiert. Wenn er die junge Schauspielerin Raphaela Hinterberger, auf der Bühne die Möchtegern-Opernsängerin s’Quitscherl und im wahren Leben Maiers Freundin, charmant „Rossignol” nennt – meine Nachtigall. „Ja, die is jünger als mei Tochter”, erzählt er gradheraus. Und letztere, Tochter Georgia, für Kostüm und Maske zuständig und mit staubtrockenem Humor und zupackendem Pragmatismus die perfekte Ergänzung zu ihrem schalkhaft-schwärmerischen Vater, scheint diesmal nichts dagegen gehabt zu haben. „Als ich 50 war, hat sie einer Verehrerin erzählt, ich wäre 76, um sie zu vergraulen”, gluckst er.

Wie alt aber ist er? Die Laudatio von Ex-Spaten-Chef Soltmann auf seiner Geburtstagsfeier zum 70sten letztes Wochenende habe ihn jetzt abheben lassen, beteuert er. Als ob er das nicht längst sei, dieser Baron Münchhausen von Solln. Schließlich ist es genau diese Mischung aus echten Typen und skurrilen Geschichten, die die Iberl Bühne braucht.

„Madame Diredare”: fast täglich auf der Iberl Bühne, Wilhelm-Leibl-Straße 22, Information: www.iberlbuehne.de, Tel.794214

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