Der Motor des deutschen Kinos
Bernd Eichinger dachte in anderen Dimensionen als die meisten deutschen Produzenten. Er wollte es mit Hollywood aufnehmen und suchte den großen, internationalen Erfolg.
Er war die mit Abstand größte Nummer des deutschen Films. Vor allem, weil er mehr Mut hatte und amerikanisch dachte. Am Montagabend starb Bernd Eichinger im Alter von nur 61 Jahren völlig überraschend in Hollywood. Aber zeitlebens ist Eichinger, der in Neuburg an der Donau Geborene, auch ein Münchner geblieben. Schon nach dem Studium an der Hochschule für Fernsehen und Film gründete er 1974 seine Produktionsfirma Solaris – nicht zufällig benannt nach dem Meisterwerk des russischen Kunstfilmers Andrej Tarkowsky. Am Anfang von Eichingers Karriere stand das sperrige deutsche Autorenkino, er produzierte Wenders, Reitz, Syberberg und Kluge.
Jahrzehnte später lieferte er mit dem inhaltsflachen Action-Horror, entwickelt aus einem Computerspiel, „Resident Evil“, eine der erfolgreichsten Kino-Serien. Denn Eichinger verkörperte immer beides, den Willen zur unterhaltsamen Filmkunst und das Gespür für Kommerz. Seine Filmografie ist der Beweis, dass jemand, der Film liebt, manchmal Kasse und Klasse zusammenbringen kann.
Nachdem er 1979 bei der Münchner Constantin eingestiegen war gelang ihm mit „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ 1981 ein Erfolg, der trotz radikaler Drogenproblematik ein Millionenpublikum anzog. Als Verleiher war er am „Boot“-Erfolg beteiligt, aber Eichinger wollte die Blockbuster lieber selbst produzieren und investierte dafür mehr Geld als irgendjemand sonst im deutschen Filmgeschäft. Die Verfilmung von Michael Endes Buch „Die unendliche Geschichte" durch Wolfgang Petersen wurde zum Mainstream-Welterfolg made in Bavaria. Gleich zwei Jahre später kam die Fortsetzung der Literaturverfilmungen mit Umberto Ecos „Der Name der Rose“.
Spätestens seit dieser Zeit konnte man eine Produzentenlinie bei Eichinger feststellen: Im Zweifelsfall glätten! Das fiel 1993 bei der Bestsellerverfilmung von Isabel Allendes „Das Geisterhaus“ (für das er Meryl Streep, Jeremy Irons, Winona Ryder und Antonio Banderas verpflichten konnte) schon deutlich auf. Aber als der deutsche Radikalexzentriker Oskar Roehler 2006 mit Eichinger im Nacken die krass sexuellen und zynischen Gesellschafts-Science-Fiction-Entwürfe des Franzosen Michel Houellebecqs verfilmen durfte, traute, wer das Buch kannte, seinen Augen nicht: „Elementarteilchen" war fast zum Familienfilm geworden.
Dass der medienscheue Patrick Süskind nach zwanzig Jahren Baggerei des Produzenten die Rechte an seinem Bestseller Bernd Eichinger zur Verfilmung anvertraute, lag an einer langen Freundschaft der beiden. Vor knapp fünf Jahren kam dann „Das Parfum“ ins Kino – mit geschöntem Hauptdarsteller (Ben Wishaw), der vom obskuren Verbrecher zum Zuschauerfrauenschwarm wurde. Für seine psychischen Deformationen fand Regisseur Tom Tykwer keine beklemmenden Bilder. Oder durfte der sonst äußerst phantasievolle Regisseur nicht, weil es eben wieder ein „Eichinger-Film“ war? Wie sehr es Eichinger gelang, Regisseuren seinen Stempel aufzu drücken, zeigen seine letzten großen Filme, die auch ein Vermächtnis des sehr politisch denkenden Bernd Eichinger sind: 2004 erregte „Der Untergang" nicht nur Deutschland. Der Film war kommerziell ein großer Erfolg, wurde aber angegriffen (und Oscar-nominiert): Durfte man das letzte Gefecht des Dritten Reiches zeigen, als eine ausweglose Situation von im Bunker Eingeschlossen, so dass man fast Mitleid haben konnte mit dem armen, alten parkinson-kranken Mann namens Hitler?
Eichinger selbst hat sich nach Außen um Kritik nie sonderlich geschert. So wirkte er auch unbeirrt, als sein letzter großer Beitrag zur deutschen Geschichte, „Der Baader Meinhof Komplex“ als unpolitische Räuber-Action-Geschichte Verrisse erntete. Aber es war sein Herzensprojekt, zudem er selbst auch mit Stefan Aust das Drehbuch geschrieben hatte. Uli Edel war hier 2006 sein Regisseur gewesen. Edel (siehe unten) war Eichingers Freund noch aus gemeinsamen Münchner Hochschul-Zeiten. Mit Edels „Christiane F.“ hatte Eichingers große Erfolgsgeschichte begonnen. Mit dem „Baader-Meinhof-Komplex“ hat Edel den letzten bemerkenswerten Eichinger-Erfolg gedreht.
Dass Eichingers letzter Film, der gerade im Kino läuft, Brachialkomik mit den „Superbullen“ Tom Gerhardt und Hilmi Sözer ist, klingt fast wie Ironie der Geschichte. Aber Bernd Eichinger hatte keine Hemmungen, wenn es um deutsche Komödien ging: Nach seiner harten US-Milieustudie „Letzte Ausfahrt Brooklyn" hatte er 1991 mit „Manta, Manta" den Einstieg in die Jugend-Unterhaltung mit witziger Prollkultur gewagt und einen ganz groß gemacht, der jetzt die deutsche Filmlandschaft um den Finger wickelt: Til Schweiger. Der auch im „Bewegten Mann“ von 1994, der Schwulen-Comic-Verfilmung nach Ralf König, den virilen, aber anfechtbaren Hetero gab.
Ein Jahr später macht Eichinger Veronica Ferres als „Superweib" zum Star. Zweimal hat Bernd Eichinger auch selbst Regie geführt: Für „Das Mädchen Rosemarie“ entdeckte er 1996 die Schauspielerin Nina Hoss. Drei Jahre später verfilmte er Helmut Kraussers Roman „Der große Bagarozy“.
In einer Kinolandschaft, die völlig verunsichert in 3-D-Verfilmungen und endlosen Sequels die wirtschaftlichen Überlebenschancen sucht, wird ein Überzeugungstäter wie Eichinger schmerzlich fehlen. Er war der Motor der deutschen Filmbranche.
Adrian Prechtel