Der Krimi zur Krise
In Griechenland scheint die Krise zum Normalzustand geworden zu sein, das fast bankrotte Land taumelt seit Monaten am Rande des Abgrunds. Wie steht es um die Gemütslage der Hellenen? Auf diese heikle Frage gibt „Faule Kredite”, der neue, brandaktuelle Kriminalroman von Petros Markaris keine eindeutigen, aber doch sehr vielsagende Antworten.
Der 1937 in Istanbul geborene Autor, ein polyglotter Kosmopolit, wirft einen mitleidlosen, bisweilen bösen Blick auf sein marodes Heimatland Griechenland. In seinem sechsten Krimi mit dem eigenwilligen Kommissar Kostas Charitos entwirft Markaris das spannende Psychogramm eines Landes zwischen Verzweiflung und Zynismus. Die Krimihandlung gerät dabei fast in den Hintergrund. Sommer 2010: Es herrscht Stillstand im brütend heißen Athen. Kommissar Charitos quält sich durch die Staus, fast täglich wird auf dem Syntagma-Platz demonstriert, die Stimmung ist aufgeladen. Ein Killer hat vier hohe Tiere aus der Finanzwelt umgebracht.
Zeitgleich tauchen Flugblätter auf, die zum Boykott der Banken aufrufen. Die Politiker machen Druck, die Kollegen von der Terrorabwehr wollen den Fall an sich ziehen. Charitos kommt so richtig ins Schwitzen und Zuhause türmen sich weitere Probleme auf. Seine Ehefrau Adriani wird zufällig Zeugin eines Selbstmordes, verfällt in Depressionen, auch weil sie sich Sorgen um Tochter Katerina macht, die nach ihrem kostspieligen Jurastudium lange vergeblich auf eine Stelle hofft. Schwiegersohn Fanis Arzt und muss als Arzt heftige Gehaltskürzungen verdauen. Schuld an der Misere sind immer die anderen: die Deutschen, der IWF oder die Einwanderer. Von den Olympischen Spielen 2004, als das kleine Land sich und seine Geschichte feiern konnte, sind nur die enormen Schulden geblieben.
Charitos ist keineswegs frei von Ressentiments gegenüber Migranten, tut aber andererseits alles, um einen farbigen Butler, der unter Mordverdacht gerät, zu entlasten. Der blinde Fleck in seiner Biografie sind die Jahre unter der Militärjunta von 1967 bis 1974: Charitos war damals schon im Polizeidienst. Die Beziehung zu einem alten Freund, der damals Widerstandskämpfer war, scheint daher belastet zu sein.
Dass in Griechenland die Uhren anders gehen, weiß man nach der Lektüre dieses kurzweiligen, bissigen Krimis. Charitos kann wegen der Krise statt mit 55 Jahren erst mit 60 in Rente gehen. Das verlängert die Krimikarriere.
Petros Markaris: „Faule Kredite” (Diogenes, 400 Seiten, 22.90 Euro)
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