Der König und sein Richter

Uwe Schultz betrachtet Ludwig XVI. und den radikalen Revolutionär Maximilien Robespierre in einer neuen Doppelbiographie
von  Volker Isfort

Die Szene ist dokumentiert, aber so plakativ, als entspringe sie der Fantasie: Nach einer Feier zum einjährigen Thronjubiläum in Reims kehrt der junge König Ludwig XVI. 1775 aus Reims zurück nach Versailles. Vor der Pariser Kirche Sainte-Geneviève nimmt er eine der zahlreichen Huldigungen entgegen, ohne im strömenden Regen überhaupt die Kutsche zu verlassen. Die lateinischen Verse, die ihm zu Ehren ein im Schlamm knieender siebzehnjähriger Jesuitenschüler vorliest, bewegen den König und seine Gattin Marie Antoinette zu keiner Reaktion. Die Kutsche rollt wieder an, der junge Robespierre darf sich aus dem Schlamm erheben. Keine zwei Jahrzehnte später wird er dafür sorgen, dass das Monarchenhaupt unter der Guillotine fällt.

Die Parallelleben des ewig zögerlichen Monarchen und des ehrgeizigen Anwalts und späteren Gewissens der Revolution hat Uwe Schultz in seiner ebenso schlüssigen wie lebendigen Doppelbiographie „Der König und sein Richter” zusammengeführt.

Begegnet sind sich die beiden Protagonisten erst wieder im Mai 1789 zur Eröffnung der Generalstände, als der König noch glauben konnte, die hohen Brotpreise und der drohende Staatsbankrott wären seine größten Probleme. Doch nur fünf Monate später zogen tausende Pariser Marktfrauen und Nationalgardisten nach Versailles, zwangen die königliche Familie in die Kutsche und überführten sie – begleitet von Pikenträgern mit abgeschlagenen Köpfen der königlichen Leibgardisten - in die Pariser Tuilerien. Der König war schon zu diesem Zeitpunkt kaum mehr als ein Gefangener des Volkes.

Robespierres Rolle pendelt zwischen erstem Repräsentanten einer radikalen Basisdemokratie und Organisator der Schreckensherrschaft, die ihn – nur 18 Monate nach Ludwig XVI. – ebenfalls unter die Guillotine führte.

Die bedrohte Zukunft der Revolution hatte er am deutlichsten vor Augen: „Lasst Ihr einen Moment die Zügel der Revolution schleifen, so werdet Ihr sehen, dass sich der militärische Despotismus ihrer bemächtigt und der Chef der revoltierenden Gruppen die erniedrigte Nationalversammlung umstürzt.” Genau dies sollte Napoleon nur fünf Jahre nach Robespierres Hinrichtung tun.

Uwe Schultz: „Der König und sein Richter” (C.H. Beck, 400 Seiten, 24.95 Euro)

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