Der König betrinkt sich

Die letzten Tage König Ludwigs: Ein Buch folgt spannend den Spuren und ordnet Legenden ein
Adrian Prechtel |
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Ein wunderbares Protokoll - teilweise im Minutentakt: Es ist Freitagnacht, 11. Juni. Der König ist in Neuschwanstein kurz vor seiner „Ingewahrsamnahme“. Die zweite „Fangkommision“ aus München ist bereits unterwegs. Die erste hat der König festgesetzen lassen.

Flucht- und Selbstmordgedanken (Friseur Hoppe soll Gift beschaffen!) stehen im Raum. Dazu alle Angaben, wie: 21 Uhr: „In seiner Verzweiflung lässt sich der König eine Kanne Rum mit Gewürznelken, außerdem Cognac, Wein und eine Flasche Champagner bringen. Er trinkt alles durcheinander...“

„Ludwig II – Die letzten Tage des Königs“ ist nicht das hundertste Buch zu den Vorgängen um den verregneten Pfingstsonntag 1886 herum. Es ist das entscheidende Buch! Ludwig-Experte Alfons Schweiggert hat nach jahrelangen Recherchen noch das riesige König-Ludwig-Privatarchiv des Aschaffenburgers Erich Adami ausgewertet. Herausgekommen ist ein Glücksfall wissenschaftlicher Literatur – spannend, mit größter Akuratess lässig geschrieben folgt das Buch dem klassischen Prinzip der Chronologie - und liest sich wie ein Krimi:

„Pfingstsonntag, 13. Juni: 9.20 - 10 Uhr: Ludwig frühstückt: ... Der König bestellt zwei Eier. Während Pfleger Mauder den Tisch deckt, fragt ihn Ludwig: ,Lieber ist es mir, Mauder, wenn immer Sie hereinkommen. Der Braun und der Schneller (die anderen Pfleger) schauen so eigen. Kennen Sie die beiden schon länger? Was hat denn Schneller für eine Religion?’“ Mauder fragt nach... Der König frühstückt, fragt Mauder jetzt nach dem Psychiater Dr. Müller aus und erkundigt sich nach dem Befinden seines Bruder Ottos...

Es geht weiter durch den Schicksalstag, den 13. Juni vor genau 128 Jahren, den Todestag von König Ludwig und seinem Psychiater Dr. Gudden - in der Nacht sind beide Tod, gestorben wahrscheinlich im See.

17.50 Uhr: Telegramm Guddens an Ministerpräsidenten Lutz über die Vorgänge im Schloss Berg bei Starnberg. Dann folgt eine – bis heute unaufgeklärte – telegrafische Unruhe zwischen München und Berg. Die beiden Psychiater (Gudden und Müller) besprechen sich, der Spaziergang auf Wunsch des Königs wird vorbereitet... 18.50 - 19 Uhr: König und Arzt erreichen die Unglücksstelle... 18.53 Uhr und 40 Sekunden: Die Uhr des Königs bleibt stehen... Und dem Leser stockt der Atem. Und dann? „Dann geht für uns der Vorhang erst einmal runter“ erklärt Alfons schweiggert im Gespräch. Sein Buch listet aber die folgenden Vorgänge auf, die wissenschaftlich rekonstruierbar sind. Dass Schweiggert von Verschwörungstheorien wenig hält, ist klar. Aber sein Buch bespricht am Ende noch die 26 Todestheorien: von Fluchtversuch über Selbstmord, Unfall zu Mord und Totschlag.

Und wie geht man mit Legenden um? „Indem man sie aufgreift und auf ihre Wahrscheinlichkeit abklopft“, sagt Schweiggert. In seinem Buch liest sich das dann so: „13 Uhr: Man erzählt, die Uhr der St. Cajetans-Hofkirchen in München habe um 13 Uhr statt wie üblich nur einmal an diesem Pfingstsonntag dreizehnmal geschlagen.“

Und was ist mit den vielen Ungereimtheiten? Schweiggert nimmt das Beispiel, dass allen, die am Todesabend in die Suche oder Bergung verwickelt waren, von ein Schweigeeid abgenommen wurde. „Ich stelle das ganz sachlich dar. Aber für mich war das ein Versuch, die wilde Gerüchteküche und Wichtigtuerei aller Beteiligten im Zaum zu halten. Dass man damit die Sache erst richtig dubios erscheinen lässt, ist die ironische Kehrseite.“

Alfons Schweigget / Erich Adami: „Ludwig II – Die letzten Tage ds Königs“ (München Verlag, 352 S., 29,95 Euro)
Zur Zeit ist in Benediktbeuern auch die von Alfons Schweiggert kuratierte Ausstellung „Dr. Bernhard von Gudden – Der Gutachter des Königs“ zu sehen

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