Der klerikale Köbes

Dem Kölner Jürgen Becker geht bei seiner kabarettistischen Götterspeise im Lustspielhaus der Text aus, aber nicht das Bier. Nach 3000 Jahren Religionsgeschichte verteilt er frisch gezapftes Kölsch ans Publikum.
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Dem Kölner Jürgen Becker geht bei seiner kabarettistischen Götterspeise im Lustspielhaus der Text aus, aber nicht das Bier. Nach 3000 Jahren Religionsgeschichte verteilt er frisch gezapftes Kölsch ans Publikum.

Der Kölner weiß, worauf es ankommt. Jürgen Becker kommt mit einer Abendzeitung auf die Bühne, hält sie hoch, liest „So betrügen die Münchner!“ vor, die AZ-Schlagzeile vom Montag, und sagt: „Ich hab gedacht, du musst dich hier integrieren. Da hab ich mich direkt mal die Zeitung geklaut!“

Sich die Welt so hinzudrehen, wie man sie braucht – das kann der Rheinländer vielleicht am besten und dabei hilft ihm: die Religion. Becker, Moderator der „Mitternachtsspitzen“ im WDR hat sich ein komplexes Thema ausgesucht für sein Solo, das er Montag- und Dienstabend im „Lustspielhaus“ präsentiert. „Ja, was glauben sie denn!“ ist ein unterhaltsames Stück Evolutions- und Religionsgeschichte.

„Der Mensch ist ja evolutionstechnisch betrachtet ein Rheinländer“, erklärt Becker, „er kann nix, traut sich aber alles zu. Sogar U-Bahn-Bauen“. Mit schönen Grüßen an den Kölner OB Schramma, der in Folge des Stadtarchiv-Einsturzes sein Amt aufgeben wird.

Parallelen sieht der katholische Rheinländer beim ebenfalls katholischen Bayern: „Was der Mensch am besten kann, ist Kompensieren: Wenn das Gehirn ausfällt, übernimmt die Leber – so muss die CSU entstanden sein.“

Das sind die leicht verdaulichen Wortwitze. Eine „kabarettistische Götterspeise“ nennt Becker sein Programm, bei dem er derart schnell durch 3000 Jahre Religionsgeschichte spurtet, dass er sich einmal selbst vergaloppiert und den Text nicht mehr weiß.

Die Schlusspointe dagegen vergisst man nicht: „Der Tünnes steht mit einem Gebetbuch auf der Brücke – der Schäl sorgt sich: „Wo willste hin?“ – „Ins Puff!“ – „Mit dem Gebetbuch?“ – „Vielleicht bleib ich ja übern Sonntag!“ Beckers Schlusswort: „Moral ist nur erträglich, wenn sie doppelt ist.“

Und am Schluss gibt es nich eine ganz besondere Zugabe: Der Künstler selbst kommt als Kölsch-Kellner daher, Köbes nennt man das in Köln. Becker verteilt Kölsch ans Publikum _ „die einzige Sprache, die man auch trinken kann“. Und so endet auf erfrischende Art ein süffiger Abend mit dem klerikalen Köbes.

Gunnar Jans

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