Der Kiez der Fab Four

In Liverpool haben die Beatles das Licht der Welterblickt, doch als Band hat Hamburg ihnen die Augen geöffnet – heute vor 50 Jahren gaben sie ihr erstes Konzert auf St. Pauli
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In Liverpool haben die Beatles das Licht der Welterblickt, doch als Band hat Hamburg ihnen die Augen geöffnet – heute vor 50 Jahren gaben sie ihr erstes Konzert auf St. Pauli

Es muss ein Schock gewesen sein für die Jungs aus Liverpool: Als die Musiker, die sich seit kurzem The Beatles nennen, im August 1960 im Hamburger Amüsierviertel rund um die Reeperbahn ankommen, landen sie in einem schmuddeligen Lokal. Das Publikum: keine Musikfans, sondern vor allem Prostituierte und deren Freier. Im „Indra“ auf der Großen Freiheit stehen sie in der Nacht vom 17. zum 18. August erstmals in der Hansestadt auf der Bühne – und fortan Abend für Abend. Um sie herum Sexclubs und Seemannskneipen. Der Älteste von ihnen – Stuart Sutcliffe – ist wenige Wochen zuvor gerade 20 geworden, der Jüngste – George Harrison – ist erst 17. Damals sind sie noch zu fünft – und weit entfernt davon, als „Fab Four“ eine bis dahin nicht gekannte Euphorie auszulösen.

Im „Bambi Kino“ brachte der „Indra“-Chef John Lennon, Paul McCartney, George Harrison, Stuart Sutcliffe und Pete Best unter: In „zwei spärlich beleuchteten fensterlosen Räumen neben der Herrentoilette des Kinos“, wie Beatles-Experte Ulf Krüger erzählt. „Die Musiker schliefen in ausgedienten Militärbetten. Als Waschbecken diente das Handwaschbecken der Herrentoilette nebenan.“

Sechs bis acht Stunden mussten die Beatles Nacht für Nacht Tanznummern spielen. Gegen die Müdigkeit half das ein oder andere Aufputschmittelchen. Vom „Indra“ zogen sie im Oktober in den „Kaiserkeller“, wo sie bis Ende 1960 spielen sollten. Nachdem allerdings Harrison ausgewiesen wurde, weil er erst 17 war, traten die Beatles zu viert auf. Im Dezember wechselte die Band ins „Top Ten“. Doch ihr vorheriger Clubchef, Bruno Koschmieder, sorgte aus Missgunst dafür, dass McCartney und Best wegen fehlender Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen abreisen mussten. Lennon folgte ihnen, Sutcliffe blieb bei seiner Verlobten Astrid Kirchherr in Hamburg.

Steigende Honorare

Zwischen Liverpool und Hamburg pendelte die Band von 1960 bis 1962 immer wieder. Während des nächsten Hamburg-Gastspiels im „Top Ten“ im Frühjahr 1961 stieg Sutcliffe, dessen eigentliche Liebe der Malerei galt, aus. Im Frühjahr darauf – am 13. April 1962 – öffnete schließlich der legendäre „Star-Club“ auf der Großen Freiheit seine Tore. Geschäftsführer Fascher holte die Beatles zurück. Kurz vor ihrer Rückkehr nach Hamburg starb Sutcliffe an einem Hirnleiden.

Insgesamt drei Gastspiele gaben die Beatles im „Star-Club“. Hatten sie im „Indra“ noch für 30 DM pro Kopf und Tag gespielt, waren es nun 500, am Ende sogar 700 Mark pro Beatle und Woche. Im „Top Ten“ und ab 1962 im „Star-Club“ herrschten weitaus professionellere Auftrittsbedingungen als in Liverpooler Lokalen. In Hamburg entwickelten und kultivierten die Beatles ihren Stil – nicht nur musikalisch. Gerade in Sachen Geschmack, Optik und Auftreten haben Freunde wie Kirchherr, Klaus Voormann und Jürgen Vollmer – Studenten und Existenzialisten, die sich an der französischen Kultur orientierten – viel Einfluss auf die jungen Beatles gehabt.

Als sie am Silvesterabend 1962 ihr letztes „Star-Club“-Konzert gaben, hatten die Beatles Hamburg längst erobert. Mit der ersten Single in den englischen Hitparaden („Love Me Do“) und mit Ringo Starr statt Pete Best am Schlagzeug machten sie sich nun daran, ihren weltweiten Siegeszug anzutreten. Als erfolgreichste Band des 20. Jahrhunderts gilt die Gruppe, die sich bereits 1970 wieder trennte. Hamburg darf sich ihrer Lehrjahre rühmen. Oder wie sagte es John Lennon? „Ich bin in Liverpool aufgewachsen, aber in Hamburg erwachsen geworden.“

Dorit Koch

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