Der Herzrhythmus
Stimme der Armen und Unterdrückten – in vielen Ländern der Welt ist das Bob Marley auch noch 30 Jahre nach seinem Tod. Der jamaikanische Reggae-Musiker hat ein Werk zeitloser Relevanz hinterlassen, oder einfacher gesagt: Lieder, die immer noch trösten und Mut machen, schlechte in gute Laune umwandeln, zur Ruhe kommen lassen, zum Tanzen einladen. Die von der einen, besseren Welt künden, Freiheit und Emanzipation einfordern. „Jamming”, „Get Up, Stand Up”, „Stir It Up”, „No Woman No Cry”, „Redemption Song”, „War”, „No More Trouble” – Bob Marley und seine Wailers schufen zwischen 1967 und 1981 einen Musikkatalog, der den Pop bis heute prägt. Vor 30 Jahren, am 11. Mai 1981 starb Marley an Krebs.
AZ: Herr Söllner, was war Ihre erste Marley-Platte?
HANS SÖLLNER: Mit 21, 22 Jahren habe ich Mechaniker in München gelernt. Ich hatte nicht viel Geld und habe mir immer von den Kundenautos die Kassetten mit heimgenommen, hab’ sie zu Hause überspielt und hab’ da das erste Mal Bob Marley gehört. Ich war damals aber ein absoluter Bob-Dylan-Hörer.
Können Sie sich an den Todestag erinnern?
Überhaupt nicht. Ich habe damals überhaupt nichts von Reggae-Musik gewusst. Ich war Liedermacher. Außerdem habe ich nichts mit Drogen zu tun gehabt. Ich hab erst mit 25 zu rauchen angefangen. Über Reggae kommst du automatisch zum Gras.
Wie ist denn jetzt Ihre Verbindung als Bayer zum Marley?
Ich kann diese Verbindung wahnsinnig gut mit Marihuana herstellen. Ich feiere den Todestag nicht. Ich trete auf meine Weise mit Marley in Verbindung, so wie er mit uns in Verbindung getreten ist. Ich glaube nicht, dass er so ein spiritueller Führer für freie Drogen oder freie Sexualität geworden wäre, wenn es das Ganja nicht gegeben hätte in seinem Leben. Ich kann als Rasta nicht viel andere Musik hören als Reggae. Und er hat den Besten gemacht.
Was ergreift Sie persönlich?
Sein Sound ist auf seinen Herzrhythmus maßgeschneidert. Wenn Kinder stressig sind und du legst eine Platte von Marley auf, kommen die sofort runter. Wenn sie ins Universum nicht irgendwelche mathematischen Formeln rausgeschickt hätten, sondern den Bob Marley gesendet hätten, dann hätten sich wohl eher Außerirdische bei uns gemeldet als auf diesen ganzen Scheiß, den sie da für Milliarden rausgedrückt haben.
Wie alle Rastas verehrte Marley den äthiopischen Kaiser Haile Selassie. Hat sich Ihr Marley-Bild gewandelt?
Marley ist zu früh gestorben, als dass es sich hätte wandeln können. Ich glaube und wünsche mir, dass er den Mut, Weitblick und Rückblick gehabt hätte, zu sehen, dass Haile Selassie ein Massenmörder war, der zugelassen hat, dass die Verwalter seines Landes die Menschen ausbeuten.
Wann sind Sie nach Jamaika gefahren?
1986. Das war ein Urlaub. Zurückgekommen bin ich mit meinem ersten Dread, weil das da durch die Sonne und das Wasser gut geht. Über diese Dreads habe ich viel von Rastafari, dieser Musik und diesen Menschen mitgekriegt. Marley hat mein ganzes Leben verändert. Ich bin Vegetarier geworden, hab Zigarettenrauchen aufgehört und trinke ganz wenig Alkohol. Ich habe gelernt, auf mich aufzupassen und dass ich die Nummer eins in meinem Leben bin. Wenn ich mich gut behandle, kann ich auch andere gut behandeln, das habe ich über die Musik und den Rastafari-Glauben gelernt.
Rastafari als ganzheitliche Religion?
Eigentlich. Aber sie ist ja auch frauenfeindlich. Es gibt ja auch keine Rasta-Führerinnen. Es ist schade, dass Frauen auch bei den Rastas nicht viel gelten.
Nach Marleys Tod hat sich seine Witwe Rita in den Nachlass eingemischt und viel zu Geld gemacht.
Seine Predigt war, dass jeder das macht, was ihm gut tut. Und seiner Frau hat es wohl nicht gut getan, dass er ständig mit anderen Frauen unterwegs war. Vielleicht hätte Marley doch überlegen müssen, dass, wenn er zwölf Kinder hat und vier sind aus der Ehe mit Rita, diese Frau später nicht so fair sein wird, dass sie alle Kinder gleich behandelt. Aber im Angesicht des Todes hast du einfach etwas anderes im Kopf.
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