Der dritte Ärmel am Trenchcoat
Der belgische Designer Margiela nimmt seit 20 Jahren den Modezirkus unter die Lupe – das Haus der Kunst widmet ihm jetzt eine Ausstellung
Das Haus der Kunst hüllt sich in Haute Couture: Zum 20-jährigen Bestehen widmet es dem Pariser Modehaus Maison Martin Margiela eine Ausstellung.
Damit feiert das Museum an der Prinzregentenstraße ein Jubiläum: „Seit 50 Jahren haben wir Modeausstellungen im Haus der Kunst“, sagt Museumsleiter Chris Dercon. Angefangen hat es damals mit Christian Dior, heute ist es der Bad Boy der High Fashion: Martin Margiela verstößt gegen alle Konventionen, die der Modezirkus zu bieten hat.
Wie er aussieht? Weiß man nicht. Der belgische Designer zeigt sich nie, Interviews beantwortet er per Fax. Sein Etikett ist leer, mit vier groben Stichen an der Kleidung befestigt. Insider wissen so von weitem, wer Margiela trägt. Nähte, Fäden, Schulterpolster? Sie sind nicht, wie üblich, verborgen, oft ziehen sie sich sichtbar über den Stoff der Kleider. Den Produktionsprozess nicht verstecken, ist eine von Margielas Intentionen.
Die Mode wird seziert
„Nicht um das System der Mode zu kritisieren, sondern um es sichtbar zu machen – auf eine humoristische Art“, sagt Kuratorin Kaat Debo vom Fashion Museum der Provinz Antwerpen, das die Ausstellung gemeinsam mit dem Pariser Modehaus initiiert hat. Margiela bricht die Regeln, spielt mit ihnen und bringt so Neues hervor. „Eine Autopsie der Mode“, sagt Chris Dercon. Das erklärt auch, warum die Angestellten der Firma in identischen Mänteln arbeiten, die an Ärztekittel erinnern.
Auf der Mode und nichts anderem soll der Fokus seiner Arbeit liegen. Deswegen ikonisiert er Schneiderpuppen statt Models, in seinen Katalogen macht er sie mit schwarzen Balken unkenntlich. Kein Personenkult soll von der Kleidung, dem Entstehungsprozess ablenken.
Hinterfragungen
Zum Teil wirkt es verstörend, wenn Margiela Klassikern wie dem Trenchcoat einen dritten Arm annäht. Er hinterfragt die Definition von Luxus, wenn er Einzelstücke nicht nach dem Wert der verwendeten (billigen) Materialien, sondern nach den Arbeitsstunden bewertet – etwa ein Top, genäht in 45 Stunden aus Spiegelquadraten einer Discokugel. Dann wird es erheiternd, wenn Margiela die Kleidung einer Barbiepuppe auf Menschengröße überträgt. Seine Kollektionen sind ein Insider-Blick hinter den schönen Schein: So abstoßend wie faszinierend.
Laura Kaufmann
Haus der Kunst: „Maison Martin Margiela“ vom 20. März bis 1. Juni
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