Der begehrte Mann
Die Erlebnisse eines Teilnehmers an der ORF-Sendung „Liebesg’schichten und Heiratssachen“ bei der Partnerwahl
Der Mensch, weiß Robert Rosin, ist zur Zweisamkeit geboren. Davon ist der Österreicher überzeugt. Gemeinsam Schi fahren. Gemeinsam golfen. Zwei Karten für die Festspiele und ein bisschen Romantik. So stellt sich der 67-Jährige das Leben zu zweit vor.
Dreimal war Robert Rosin verheiratet und mehrmals liiert. Seine letzte Partnerin brauchte eine „Auszeit“. Für ihn ist diese Bemerkung eine feige Floskel, um sich aus der Beziehung zu ziehen. „Wenn du das tust“, drohte er ihr, „dann geh ich ins Fernsehen.“ Ins Fernsehen – das meint nichts anderes als die Sendung „Liebesg’schichten und Heiratssachen“, eine Partnersuche im ORF. Die Sendung hat allein in Österreich über eine Million Zuschauer. Unter dieser Million, so dachte sich Rosin, wird wohl eine Partnerin für’s Leben sein.
Ein Kamerateam vom ORF besucht den Mann zu Hause: Rosin am Tisch und auf dem Hometrainer, so stellt er sich der Nation vor. Er erzählt von seinen Ehen, von seiner Arbeit als Verkaufsleiter bei einem Deutschen Kosmetikkonzern, seiner Einsamkeit, und nun ja, auch von seinem hübschen Domizil in Marbella. Rosin ist in seinem Element, bewegt und mitgenommen von den eigenen Worten.
Keine heiße Nummer
Erst bricht sein E-Mail-Postfach zusammen, dann der Briefträger: 520 Zuschriften aus acht Ländern erhält Rosin. Er beginnt sie zu sortieren. Eine Fernbeziehung will Rosin nicht, ebenso wenig eine heiße Nummer mit einer der Damen auf den Nacktfotos. Und eine 30 Jahre jüngere Frau entspricht auch nicht seiner Vorstellung: „Nicht, das ich prinzipiell etwas gegen Plüschtiere auf der Couch hätte, aber es muss nicht zwingend sein.“
Manche Schreiberinnen haben eine kranke Mutter oder Kinder im Haus, aber Rosin will keine geteilte Aufmerksamkeit. „Und Ausländer ohne österreichische Staatsbürgerschaft – bitte verstehen Sie mich nicht falsch – die wollte ich nicht“, sagt Rosin.
Bis zu 18 Seiten lange Briefe erhält er: An welcher Krankheit der Mann gestorben ist, welchen Aszendenten die Enkelkinder haben und was für einen Charakter der Hund, steht da geschrieben. Rosin braucht eine Strategie.
Wer mehr als einen Kaffee bestellt, zahlt selbst
Nach der Auswahl bleiben noch 242 Damen übrig, die er kennen lernen möchte. Allein in Wien warten 120 Kandidatinnen auf Rosin. „Castings“, nennt er die Treffen, für die er maximal eine Stunde einplant und von denen er vier bis sieben am Tag schafft. Zuweilen hält er die Treffen kurz: „Wenn jemand 160 Kilo wiegt und sonst im Leben nur strickt und Auto fährt, ich bitte Sie“, das reicht nicht für Golf, Kultur und Spanien.
Um Überschneidungen zu vermeiden, verteilt er seine Rendezvous’ auf mehrere Kaffeehäuser und spendiert einen Kaffee. Das ist sein Casting-Budget. Wer mehr bestellt, zahlt selbst, so die Rosinsche Kosten-Nutzen-Rechnung, wo käme man sonst hin.
Mit den unterschiedlichsten Frauen durchläuft der Salzburger das gegenseitige „Scannen“, erzählt von sich und seinen Vorstellungen und gerät in skurrile Situationen. Eine Dame versucht ihn zum Schuhkauf zu verführen, eine andere bietet ihm Sex an, sollte er ihre Zahnarztrechnung bezahlen. Rosin beschließt, ein Buch zu schreiben über seine „Tour d’amour“, so unglaublich findet er seine Geschichten.
Und zwischen den vielen Frauen, die ihn wiederholt zum „zahlenden Opfer der Begierde“ machen wollen, findet er sie irgendwann tatsächlich, die sympathische, schlanke Eine, die mit ihm zum Golfen geht und ihn jetzt im Oktober nach Marbella begleitet. Es hat sich gelohnt.
Lisa Kassner
Christoph Nake/Robert Rosin: „Reisender in Sachen Liebe“ (Edition Vabene, 180 Seiten, 21.90 Euro)
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