Der Avant-Gardener
Choreograf Moses Pendleton feiert mit seiner Company seit 29 Jahren weltweit Triumphe. Im Juni kommt Momix nach München
Wortreich entschuldigt sich Choreograf Moses Pendleton, dass er erst zehn Minuten nach der vereinbarten Zeit am Telefon erreichbar ist. „Ich weiß doch: Die Deutschen sind immer so pünktlich – sogar die Bayern.“ Eine Besprechung mit seinem Gärtner hat ihn aufgehalten, und damit sind wir mitten im Thema. Denn die Choreografien des Amerikaners leben von dem, was er der Flora und Fauna abguckt. Wie Pendleton das seit 29 Jahren mit seiner Tanztruppe Momix auf die Bühne bringt, hat ihm weltweiten Ruhm eingetragen. Seine Kreationen sind fantasievoll und witzig, ein Tanztheater, das jeder versteht. 2002 war Momix zum letzten Mal in München zu sehen. Ab 12. Juni kommt Pendletons Company mit einem Best-Of-Programm ins Deutsche Theater.
AZ: Herr Pendleton, wie wichtig ist Ihnen das Gärtnern?
Wenn nicht die viele Zeit, die ich mir für meinen Garten nehme, in meine Arbeit einflösse, müsste ich einen anderen Job machen. Für mich sind Pflanzen, Tiere, Mineralien und Natur überhaupt meine Inspiration. Ich sehe darin die Verbindung zwischen dem Menschlichen und dem Nicht-Menschlichen. Zur Zeit kreiere ich in meinem botanischen Büro gerade eine gelbe Spirale aus Narzissen. Diese Spirale aus Gelb schafft Harmonie in meiner chaotischen Seele. Sich da hineinzubegeben ist eine Art Meditation. Die Gärtnerei ist meine Leidenschaft, das verbindet mich mit meiner Agro-Vergangenheit.
Sie sind als Farmerssohn in Vermont aufgewachsen. Momix war der Markenname eines Futtermittels für Kühe.
Ich habe meine Farm eigentlich nie verlassen – und diese Vergangenheit kommt auch immer wieder zurück zu mir. Sie holt mich weg vom Schreibtisch. Ich nenne mich gern einen Avant-Gardener, und ich bringe die Ökologie auch auf die Bühne. Das ist eine Entscheidung für das Leben: Das Leben kommt immer zuerst. Erst wenn man lebt, kann man tanzen, schwimmen und radfahren im Englischen Garten. Ich liebe den Englischen Garten. Einmal bin ich zu einer Schaffarm ganz im Norden geradelt, ein anderes Mal vier, fünf Kilometer an der Isar entlang. München ist meine Lieblingsstadt.
Bei Ihrem Best-Of-Programm ist auch Neues dabei.
Wir zeigen eine Kompilation aus mehreren Shows. „Lunar Sea“ ist noch nie in Deutschland gezeigt worden, und unser jüngstes Stück „Botanica“ auch nicht.
Wie lange arbeiten Sie an einer neuen Show?
An „Botanica“ haben wir drei Jahre gearbeitet. Zuerst sind da Visionen und Ideen, dann muss ich meine Fantasien in die Köpfe der Tänzer kriegen. Das ist ein langer Prozess. Die Tänzer müssen improvisieren und ausprobieren, sie sind sehr beteiligt an der Entstehung. Ich sage: „Wenn du den Tanz sehen willst, schließ’ die Augen und sieh’ die Bilder.“ Für mich ist Fantasie das Wichtigste. Ich liebe freie Assoziation – aber man muss wie im Garten dabei immer viel Unkraut ausjäten. Und es ist wichtig, dass es Spaß macht. Ich bin gern unter jungen Leuten mit ihrer Energie und lerne von ihnen.
Ihre Choreografien sind stark geprägt von Sport. Eines Ihrer berühmtesten Stücke ist ein Pas de deux auf Skiern.
Wir bekamen mal einen Preis beim „Sundance“-Festival. Am Tag der Preisverleihung kamen wir spät von einer Skitour zurück, und dann dachte ich: Warum nicht gleich mit den Skiern auf die Bühne gehen? Also machten wir das. Die Idee war in einem Moment geboren, aber danach brauchte es Monate, um das zu perfektionieren.
Wie groß ist Ihre Truppe?
Etwa 30 Leute, mit Gästen bis zu 45. Davon ist ein Teil immer mit den zwei aktuellen Programmen auf Tournee. Wir sind jedes Jahr 22 Wochen in Italien unterwegs – ohne den italienischen Markt könnte die Company nicht überleben. Wir würden uns gerne auch in Deutschland so eine familiäre Basis schaffen und öfter nach München kommen.
Gabriella Lorenz
Deutsches Theater, 12. bis 27. Juni, Tel.5523 4444
- Themen: