Denn wo die Diva schreitet, da ist Licht

Philharmonie: Die Sopranistin Kiri Te Kanawa erinnerte an die guten alte Zeiten – und sagte München Goodbye
von  Abendzeitung

Philharmonie: Die Sopranistin Kiri Te Kanawa erinnerte an die guten alte Zeiten – und sagte München Goodbye

Sonntagnachmittag, zur besten Kaffee- und Kuchenzeit, mag’s das Auge noch nicht schummrig. Doch das bisschen Scheinwerfer, das die Bühne in dunklen Honig taucht, gehört dem Steinway. Und schon vor dem Konzert ist die Stille voller Andacht. Wie bei einem feierlichen Gottesdienst öffnet sich die Sakristei: Dame Kiri erscheint, und wo sie schreitet, da ist Licht. Geschmackvoll glänzt ihre Seidenrobe in Ecru, und mit der blond gesträhnten Lady-Di-Frisur sieht sie tatsächlich aus wie die Wiederauferstehung eben jener Princess of Wales. Wären da nicht diese markanten tiefbraunen Augen, die noch in Block P der mäßig gefüllten Philharmonie leuchten.

Die 65 Jahre sieht ihr keiner an, man hört sie nur, auch wenn diese Sängerin nie Raubbau betrieben hat. Doch das betörende Schimmern ihres Silber-Soprans ist matt geworden, die Höhe mindestens riskant. Mozarts Lieder, die sie glaubt, ihrem Publikum schuldig zu sein, beanspruchen mehr noch als die von Strauss. Der verlangt kein Koloraturengezwitscher und gestattet ihrer Stimme, sich auszubreiten. Um am Ende im Piano zu verhauchen. Und schließlich ist da immer noch diese Gabe, einen Charakter zu formen, ganz aus dem Inneren heraus, ohne große Gesten. Die Diva ruht eben in sich, nichts sieht nach irdischer Mühsal aus, wie eine Elfenbein-Pagode steht sie da in dieser feinen Fülle aus Stoff und Noblesse.

Stimmschmeichler

Brav nimmt sich Julian Reynolds am Flügel zurück, bettet selbst noch ihr Forte auf Daunen. Wer so einen neben sich hat, wagt auch Puccini. Oder Canteloube und Guastavino, die vermeintlichen Stimmschmeichler aus den Salons. Vieles hätte sie lieber gelassen, aber darauf kam’s bei diesem Goodbye kaum an. Denn nicht nur Kiri schwelgte in Erinnerungen, so, wie sie als Gräfin vor über 30 Jahren in Jean-Pierre Ponnelles „Figaro“-Verfilmung die alten Schwarzweiß-Bilder aus besseren Zeiten an sich vorbeiziehen lässt.

Also hagelte es Bravi samt Blumen. Und als Queen Kiri da so stand mit ihrem üppigen weißen Rosenbouquet, hätte man ihr fast noch die Rolex abgekauft, für die sie so gern Werbung macht.

Christa Sigg

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