Das Weibsbild Macbeth

Geschlechter spielen keine Rolle – Karin Henkel bringt Shakespeares Tyrannendrama im munteren Gender-Crossing auf die Bühne der Kammerspiele. Premiere ist am heutigen Samstag
von  Gabriella Lorenz

Kriegsheld und Feldherr, Königsmörder und blutrünstiger Tyrann: Shakespeares Macbeth stellt man sich leicht als Kraftkerl vor. Jana Schulz ist schmal und androgyn, mit grünen Augen im blassen Gesicht unterm blonden Kurzhaar. Sie spielt den Titelhelden in Karin Henkels „Macbeth”-Inszenierung, die am Samstag in den Kammerspielen Premiere hat. Und mit dem Geschlechtertausch verlagert sich auch der Beziehungs-Schwerpunkt des Dramas: Enger noch als seiner ehrgeizigen Frau (Katja Bürkle spielt die Lady) ist Macbeth seinem Freund – und Mordopfer – Banquo verbunden, den Benny Claessens verkörpert.

Jana Schulz, Jahrgang 1977, ist seit 2003 der Jungstar am Hamburger Schauspielhaus und brilliert gleichermaßen in Männer- wie Frauenrollen, zuletzt als Major Tellheim in Lessings „Minna von Barnhelm”, ebenfalls von Karin Henkel inszeniert. Ob sie den Narren in „König Lear” spielt, Kleists Amazonenkönigin Penthesilea oder nun eben Macbeth – das Gender-Crossing auf der Bühne ist für Schulz kein Diskussionsthema. „Das Geschlecht der Figur spielt keine Rolle”, sagt sie. „Man versucht, den Menschen zu spielen. Ich gehe über den Text, daraus erschließt sich die Figur und der Mensch.”

Den Menschen Macbeth sieht sie als „jemand mit sehr vielen Ängsten und Zweifeln. Anfangs ist er mir sogar sympathisch, er ist nicht so evilmäßig.” Doch die Hexen, die ihm die Königswürde versprechen, kitzeln das Böse hervor. Um den amtierenden Schottenkönig Duncan zu beerben, hilft ein Dolch, nicht ohne wort- und tatkräftige Unterstützung der Lady Macbeth. Allein, meint Jana Schulz, hätte er sich nicht getraut: „Er kommt aus dem Krieg, er kann kämpfen, Aber einen ,feigen’ Mord zu begehen, ist etwas anderes. Er redet drüber, aber er macht es nicht, dazu ist er zu menschlich. Die Lady treibt ihn an. Sie würde es am liebsten selbst tun.”

Ist die Hexen-Weissagung eine self fulfilling prophecy, eine sich selbst erfüllende Prophezeiung? Jana Schulz bezweifelt das: „Wenn Macbeth hört, er werde König, fängt es in ihm an zu arbeiten. Aber wie weit steckt dieser Gedanke schon in ihm drin? Der Wunsch ist schon vorher da. Die Hexen sprechen nur aus, was Macbeth verdrängt hat. Und offen ausgesprochen kriegt das eine andere Kraft, als wenn es sich nur in seinem Inneren abspielt.”

Der historische Macbeth erschlug 1040 den König Duncan in der Schlacht von Elgin und regierte Schottland geachtet bis 1057, als er im Krieg von Duncans Sohn Malcolm getötet wurde. Nach Holinsheds Chronik, auf die sich William Shakespeare stützte, hat der Adlige Banquo am Mord an Duncan mitgeholfen. Bei William Shakespeare ist er Macbeth’ engster Freund und Kampfgefährte. Ihm weissagen die Hexen, er werde Ahnherr von Königen – nach Holinshed gilt er als Stammvater der Stuarts. Grund genug für Macbeth, Banquo umbringen zu lassen. Dessen Geist erscheint Macbeth bei einem Bankett und verlässt ihn in Karin Henkels Inszenierung bis zum Schluss nicht.

Sind sich die beiden zu ähnlich? Banquo-Darsteller Benny Claessens meint: „Die beiden sind fast ein Liebespaar, eng verbunden, weil sie den Krieg gemeinsam erlebt haben. Wenn Banquo hört, dass seine Kinder Könige werden, hält er das zunächst für eine schöne Fantasie, entwickelt aber dann dasselbe Machtdenken wie Macbeth. Jeder sagt, das betrifft mich, das ist mein Fest. Die Prophezeiung treibt einen Keil zwischen sie. Für Macbeth verselbständigt sich die Dynamik. Er kann nur noch reagieren und vereinsamt extrem. Nur der Geist Banquos weicht nicht von seiner Seite. Wir machen die Freundschaft zum großen Thema. Was ist Freundschaft, wenn man aus dem Krieg kommt, wo Gewalt normal ist?”

Jana Schulz fühlt sich von Macbeth an Dostojewskis Raskolnikoff erinnert: „Macbeth weiß alles, was passieren wird, er ist hin- und hergerissen zwischen den Folgen seines Tuns. Er ist menschlich in seinen Gedanken. Das wird für den Zuschauer bloßgelegt. Er muss seinen besten Freund umbringen, weil der ihn verraten könnte. Da wird er verrückt. In der zweiten Hexenszene wird klar, dass er keine Zukunft hat. Die self fulfilling prophecy kommt aus dem Menschen selbst heraus und wächst durch die Bestätigung von außen.”

Samstag und Sonntag, 19.30 Uhr, Karten unter Tel.233966 00

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