Das Publikum aus dem Häuschen singen

Opernfestspiele: Piotr Beczala und Vesselina Kasarova begeistern in Jules Massenets „Werther“
von  Abendzeitung

Opernfestspiele: Piotr Beczala und Vesselina Kasarova begeistern in Jules Massenets „Werther“

Die graumelierte Dame in Reihe elf war ziemlich enttäuscht. Extra wegen diesem Villazón sei sie von Stuttgart angereist – und jetzt?! „Hören Sie doch erst mal zu“, raunzte ihr Festspiel-Nachbar leicht genervt. Und behielt natürlich Recht: Piotr Beczala muss sich nicht in Dauer-Emphase verzehren, um sein Publikum aus dem Häuschen zu singen.

Ganz im Gegenteil. Auf der Bühne besticht dieser Sänger mit feinsinniger Innenschau, mit sehrender Reflexion. Und damit ist er auch oder gerade in Massenets spätromantischem Klangfluss ein idealer Werther, einer, der subtilen Belcanto pflegt und dabei auch noch den Johann Wolfgang von Goethe ins Spiel bringt. Damit hat er’s nicht immer leicht neben einer stimmmächtigen Vesselina Kassarova, die zwischendurch das große Drama bevorzugt und allzu gerne in ihren Manierismen badet. Doch die beiden finden schneller zueinander, als es die Oper vorsieht. Da hat der blässliche Albert des Natale De Carolis sowieso keine rechte Chance, nicht einmal im Stahlkorsett der bürgerlichen Contenance.

Beste Laune im Graben

Die übersetzt Jürgen Rose in Kirschbäumen, Karos, biedere Bollerwagen und Blumenvasen. Selbst der überdimensionale Maulwurfshügel, auf dem der Dichter thront, ist noch da. Und nervt mitsamt der Dreikönigsszene, die an Weihnachten sowieso herzlich früh daher kommt.

Aber egal, an diesem Abend passte auch sehr viel. Wieder einmal die köstliche Elena Tsallagova mit ihren glasklaren Koloraturen. Und schließlich ein fabelhaft gelauntes Staatsorchester, das sich mit Esprit in diesen „Werther“ warf. Betrand de Billy sorgte für fein flirrende Transparenz und kitschfreie Fin-de-Siècle-Couleur.

Christa Sigg

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