Das Fest der Auferstehungen
Wirklich Neues gab’s leider selten beim Festival Dance 2012 – ein Resumee.
Jetzt wissen wir, was wichtig ist im zeitgenössischen Tanz: Die neuen Kuratoren Dieter Buroch und Nina Hümpel haben es beim Festival DANCE vorgeführt. „Zeigen, was wichtig ist“, war ihre Devise, und wichtig war ihnen vor allem das flämische Tanzwunder der letzten 30 Jahre. Sie rechtfertigten ihre Auswahl der teils schon jahrealten Produktionen berühmter belgischer Choreografen damit, dass diese noch nie in München zu sehen waren. Man fühlte sich also manchmal ein bisschen wie im Museum.
Vor allem bei Jan Fabres „Preparatio Mortis“, der Zelebration von Sterben und Wiederauferstehung durch eine nackte Tänzerin in einem mit Blumen und Schmetterlingen geschmückten Katafalk. Ebenso beim großen Schlusspunkt „Drumming Live“, dem Klassiker von Anne Teresa de Keersmaeker. Fulminante Tanzkunst, zweifelsohne.
In ein Nebenprogramm gehört hätte „Next Generation“ von de Keersmaekers Tanzschule P.A.R.T.S – da führen junge Tänzer vor, was sie können. Das war in de Keersmaekers „Achterland“ hauptsächlich Am-Boden-Rollen. In ein Nebenprogramm hätte man auch die vom Kulturreferat verordnete Einbindung der Münchner Szene schamhaft verbannen können. Die „Sixteen Dances“ von John Cage und Merce Cunningham aus dem Jahr 1951 waren die Vorgabe für neue Choreografien. Per Wettbewerb wurden Stefan Dreher, Caroline Finn, Ludger Lamers, Monica Gomis ausgewählt – jeder hatte für vier Tänze eine Viertelstunde mit vier Tänzern zur Verfügung. Das Ergebnis war in allen Fällen ein enttäuschendes Cage-Missverständnis. Und ein drastischer Beweis, dass die Münchner Szene nicht in der ersten Tanzliga mitspielt.
Befremdliche und herausfordernde Abstraktion
Nach den kunstgewerblichen Behinderten-Verrenkungen der Compagnie Marie Chouinard lieferte ihre kanadische Landsmännin Crystal Pite ein Highlight: Die langjährige Forsythe-Tänzerin erzählt mit ihrer Truppe Kidd Pivot in „The Tempest Replica“ glasklar analytisch Shakespeares Drama „Der Sturm“ nach. Videobilder und ein zentraler Satz aus den fünf Akten erklären die Handlung.
Außer dem Magier Prospero sind zunächst alle anderen Figuren gesichtslos weiß vermummt – diese Abstraktion ist befremdlich und herausfordernd. Nach der Exposition tragen alle Straßenkleidung und tanzen die markanten Konflikte in aller Abstraktion mit kristalliner Schärfe und sinnlicher Rasanz.
Immer wieder nett, aber nicht aufregend: die „Logobi“-Serie des Choreografen-Duos Gintersdorfer/Klaßen – diesmal arbeitete sich Richard Siegal imitatorisch an einem afrikanischen Straßentänzer ab.
Weit mehr als die Augen beschäftigte Erna Omarsdottirs Choreografie „We saw Monsters“ die Ohren: Sie versuchte, Unheimliches durch die Reaktion darauf darzustellen – mit einem von permanentem Gekreisch dominierten Soundtrack. Die Tänzer müssen auf der Bühne auch noch mitkreischen. Anfangs gibt es eine berührende Szene mit dem Tod, dessen Sense einen Sterbenden fast zärtlich in Bewegung versetzt. Auch die Zwillinge in ihren „Rosemary’s Baby“- Hemdchen (Horror-Filmzitate gibt’s zu Hauf) sind beeindruckend, aber das Ganze ist nur dumm und dröhnend.
Choregraf Christoph Winkler und Tänzer Martin Hansen können in „Baader“ auch nicht das Charisma des Bösen des RAF-Terroristen Andreas Baader erklären. „Intimate Strangers“ von Johanna Richter setzte am Ende einen wunderbar komischen Kontrapunkt. Diese Münchner Schauburg- Produktion ist wirklich festival-tauglich.
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