Das Dolby-Surround Gefühl
The National bringen den Großstadt-Sound auf den Rathausplatz von Dachau. Dass ihren Liedern die urbane Kühle verloren geht, ist auch der heißen Julinacht geschuldet.
Sie mögen diesen Ort, das sieht man Matt Berninger und seinen Mitmusikern von The National an. Zum zweiten Mal meiden die Indie-Rocker das bayerische Gravitationszentrum München und treten auf dem Rathausplatz in Dachau auf. Großstädtisch klingen die New Yorker trotzdem. Majestätisch thront Matt Berningers Bariton über dem breiten Fluss aus Gitarren, Blechbläsern und Bratsche. Einzig die Bass-Drum bollerte ungeniert über das Kopfsteinpflaster des Barockplatzes und überspült einiges: Vom innigen Gitarren-Tremolo von Bryce Dessner oder das Wehklagen der Bratsche im Bühnenhintergrund ist wenig zu hören.
Das Pathos der fünf Herren, die schon mal das Konterfeit der US-Präsidenten ironiefrei aufs Band-T-Shirt drucken, zeigt allerdings nach gut einer halben Stunde leichte Abnutzungserscheinungen. In der Nachtschwüle verliert der Breitwand-Sound seine urbane Kühle. Das lullt eher ein, als dass es berührt. Das wilde Hyänengekreische mit dem Berninger bisweilen selbst aus dem Gefängnis der Getragenheit ausbrechen will, ist allerdings kontraproduktiv. Sensible Kehlen im Publikum fühlen schon beim Zuhören ein unangenehmes Jucken im Hals.
Doch spätestens beim letzten Lied "Fake Empire", weiß der letzte aus der Münchner Pilgerschar, warum er nach Dachau gekommen ist: Da füllt die Musik auf einmal den ganzen Platz zwischen Barockkirche und Rathausfassade - ein emotionales Dolby-Surround Gefühl.
J.Jauernig
- Themen: