Darf's etwas Kaviar sein?

Zur Not tun’s aber auch ein paar Holzlatten vom Bau – zwischen Witz und Ernst pendelt das Werk Georg Herolds. Unter dem Titel „Multiple Choice” ist Ausgewähltes im Museum Brandhorst zu sehen
von  Christa Sigg

Aus dem Lautsprecher sächselt es beträchtlich. Und man braucht schon eine Weile, um festzustellen, dass sich da kein Obermotzki aus DDR-Ministerratskreisen geballten Kulturhass von der Seele trötet. Es ist der Künstler selbst, der seinen „Laokoon” zum Tönen bringt, und er liest aus Hitlers Rede über die „Entartete Kunst”. Sicher, die Skulptur aus Stahlträgern, bekrönt von einem Staubsauger mit Schläuchen oder besser Saugschlangen, sticht aus dem Oeuvre des Georg Herold heraus. Aber sie verrät viel von seinem Kunstverständnis, über das man jetzt im Museum Brandhorst in einer abwechslungsreichen Schau ausgiebig nachdenken kann.

Am Anfang war natürlich nicht der Kaviar, mit dem Herold sein Publikum immer noch irritiert – in größeren Mengen zieht das Luxusfutter nicht nur Schlieren, sondern ganze Bahnen auf mächtigen Leinwänden, Eilein für Eilein penibelst durchnummeriert. Los ging es deutlich preisgünstiger mit Holzlatten aus dem Baumarkt. Hauptsache, der Rohstoff spricht keine eigene, und schon gar keine historische Sprache. Der Bildhauer, der im Juli 65 wird, bevorzugt „dummes Material”. Unterhosen, Teesiebe, Nylonstrümpfe, Nägel, Ziegelsteine und eben Dachlatten, die er in den letzten Jahren zu menschlichen Figuren fügt. Zuweilen mit Aluminium oder Leinwand und Lack überzogen wie sein „Beef Early” (2012) – ein manieristisch überlängtes weibliches Wesen, das sich im Brandhorst eher zufällig einem kopflosen Latten-Kerl im Maßanzug entgegen reckt, der zwischen Warhols Ladies und Damien Hirsts Pillenregal lässig an der Wand lehnt.

Herold montiert, collagiert, wirft zusammen, was fremdeln müsste und dann doch eine eloquente Unterhaltung führt: über Gott und die (Kunst)Welt, durchzogen von einer ordentlichen Portion Witz und Ironie. All das hätte dem gelernten Schmied und studierten Mathematiker aus Jena vergehen müssen, nachdem er 1973 beim Fluchtversuch festgenommen wurde und ins Gefängnis kam.

Diese Zeit dokumentiert der von der BRD freigekaufte spätere Schüler Sigmar Polkes mit offiziellen Schriftstücken, die er 1999 fast liebevoll ins Großformat pinselt. Saukomisch ist diese Vorführung des irren Apparats, aber das Lachen bleibt einem im Halse stecken. Wie so oft in diesem Spiel slapstikhaft simpler Komik. Wenn etwa am „Deutschen Bügeleisen” die Welt glatt genesen soll und ein „Hungertuch” (1989) völlig dekadent mit (deutschem) Kaviar besprenkelt ist. Oder eben der Hitler des „Laokoon” (1984) problemlos als Walter Ulbricht durchgehen könnte.

Doch bei aller Anarchie, aller Demontage der Wirklichkeit wie des Erhabenen, ist der Kunstprofessor längst Teil des Systems, das er unterwandert. Und mit dem er dann doch ganz gut verdient.

Bis 2. September, Katalog (Snoeck Verlag) 39.80 Euro

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