Da liegt was unterm Bett
Geputzt wird überall: Mit „Das Zimmermädchen" hat Markus Orths einen neuen, klaustrophobischen Roman über Einsamkeit und Lebenslügen geschrieben. Ein Interview mit der AZ
Im Hotel Eden inszeniert Lynn ihre ganz eigene Hölle: Als Zimmermädchen putzt sie jeden Raum mit manischer Gründlichkeit, legt sich jeden Dienstag unter ein Bett, um dort, mit dem Gast über ihr, zu übernachten. Eine Prostituierte, die in dem Zimmer verkehrt, lernt Lynn näher kennen – und muss entdecken, dass nicht nur sie ein Versteckspiel spielt.
AZ: Herr Orths, waren häufige Hotelbesuche Inspiration für Ihr neues Buch?
MARKUS ORTHS: Natürlich, bei Lesereisen ist man ja täglich in Hotels. Irgendwann fragt man sich: Was macht eigentlich ein Zimmermädchen, während man weg ist? Dann kommt die Überlegung, ob der Impuls nicht menschlich ist, mal zu gucken, was liest denn der Gast oder was steht da auf dem Block. So hat ein Gedanke zum nächsten geführt, dass dieses Zimmermädchen immer mehr schnüffelt, bis es zur Gefahr des Erwischt-Werdens kommt und sie unterm Bett landet.
Der Roman ist in kurzen Sätzen geschrieben, die Artikel vor Substantiven fehlen oft.
Das ist eher ungewöhnlich für mich, aber dieser Stil hat sich dem Text angeboten: Lynn nimmt immer nur kleine Teile dieser Welt wahr. Das gab mir die Möglichkeit, sehr reduziert nur Ausschnitte dem Leser zu zeigen, um den Rest seiner Fantasie zu überlassen.
Lynn kriecht unter Betten, beobachtet Menschen und stellt sich deren Leben vor. Ist sie nicht im Grunde eine Spiegelfigur des Autors?
Sicher, das Buch kann man auch als Allegorie lesen. Die Kernmetapher des Unter-dem-Bett-Liegens hat viel mit dem Schriftsteller zu tun: Wenn er am Schreibtisch sitzt, stellt er sein eigenes Leben ab, belauscht andere Leute, erinnert sich, guckt, wie andere Menschen leben, kriecht in die Köpfe von anderen.
Passt Lynns Säuberungswahn auch in die Allegorie?
Ja, das ist mir aber erst bei diesem sechsten Buch klar geworden: Dass dieses Bearbeiten von Texten sehr viel mit Putzen zu tun hat. Man liest und liest seine Texte, verändert jenes und dieses Wort. Man putzt und bürstet, was zu einer Manie werden kann: Manchmal streicht und kürzt man auch zu viel. Da gibt es auch Ermüdungserscheinungen bei sechs Büchern. Das Bearbeiten ist harte Arbeit.
Ihre Romane sind oft kurz. Wieso diese Vorliebe fürs Prägnante, für die Pointe?
Das kommt vielleicht davon, dass ich viele Bücher lese, bei denen ich denke, Mensch, hier könnte man doch kürzen. Schriftsteller neigen dazu, alles auszuwalzen, wodurch auch Langeweile entstehen kann. Selbst bei einem Buch wie „Die Blechtrommel“, das ich großartig finde, würde ich behaupten, dass ich noch 150 Seiten kürzen und das Buch noch griffiger machen könnte, wenn man mich ranließe.
Putzen lohnt: In Klagenfurt haben Sie den zweiten Preis gewonnen. Wie wichtig ist so eine Prämie für einen Autor?
Für den Lebensunterhalt bedeuten 10 000 Euro auf jeden Fall sehr viel. Wobei fast wichtiger die Folgeerscheinungen sind: Das Buch wurde aufgrund des Preises schon an zwei Länder verkauft. Auch die Taschenbuchrechte werden höher verhandelt. Möglicherweise steigen auch die Buchverkaufszahlen, das wäre natürlich am schönsten.
Michael Stadler
Markus Orths: „Das Zimmermädchen“ (Schöffling & Co, 137 Seiten, 16,90 Euro)
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