Csárdás makabre auf dem Vulkan

Teuflisch gute Kammermusik im Hubertussaal: Beim Fauré Quartett brennen sämtliche Lampen durch
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Teuflisch gute Kammermusik im Hubertussaal: Beim Fauré Quartett brennen sämtliche Lampen durch

Kurz nach sieben glüht die Sonne immer noch überm Nymphenburger Park. Die Bänke im Schatten sind heiß begehrt. Und bei 29 Grad steht einem der Sinn nach allerlei Kühlem, Flüssigem. Trotzdem füllt sich der Hubertussaal schnell, auf Münchens Kammer-Connaisseure ist dann doch Verlass. Und fürs Fauré Quartett nimmt man ein paar Schweißperlen extra in Kauf.

Die werden schnell zum Seitenthema, schon bei den ersten noch suchenden Takten von Schumanns op. 47 setzt dieser ganz spezielle Fauré-Sog ein, den man von den Platten kennt. Von der sagenhaften Brahms- und zuletzt von der Wunderkind-Mendelssohn-CD, die aus den fein gedrechselten Aufnahmen hochambitionierter Kammerensembles herausstechen.

Die Vier spielen immer auf Risiko

Schon deshalb, weil die Vier nach 15 Jahren Quartettexegese jeden Wimpernschlag der anderen kennen, traumwandlerisch sicher durch die vertracktesten Partituren spazieren und – das ist der eigentliche Clou – immer auf der Kante spielen, kein Risiko scheuen. Das hat die aufregendste Folge überhaupt: Die Musik entsteht immer wieder neu, aus dem Augenblick heraus, wie teuflisch gut improvisiert. Und also klingt dieses zwischen stillem Grübeln und drängender Expression wankende Es-Dur-Quartett, als hätte es Robert Schumann eben erst ersonnen. Fiebern sich die einzelnen Instrumente in den pausenlos auf- und ablaufenden Achteln des Scherzos spontan und immer auch individuell entgegen. Um selbst im traumversunkenen Andante nicht wirklich zur Ruhe zu kommen und im Finale endgültig zu lodern.

Und selbst das steigern die Faurés: mit Johannes Brahms’ sinnhaft angegliedertem A- Dur-Brocken. Hinter der vordergründigen Einfachheit lassen die Vier eine subtil eingefädelte Motivik kreiseln, die schnell ins Pathos und wieder zurück kippt. Mühelos, ohne Druck. Seelengestrüpp wird mit dem Bogen im Pocco adagio abgetastet, im Stillen raubt das den Atem. Später dann, im Scherzo, wuchert ein geistvoll sich zuspitzender Kanon zwischen Klavier und Streichern. Und selbst das ist noch zu überbieten mit einem Finalsatz, der die Pointen nur so hinauskatapultiert. Wie bei einem Csárdás makabre auf dem Vulkan.

Christa Sigg

CDs:

Johannes Brahms: Klavierquartette g-moll op. 25 und c-moll op. 60, Deutsche Grammophon;

"Wunderkind Mendelssohn", Felix Mendelssohn: Klavierquartette f-moll op. 2 und h-moll op. 3, Deutsche Grammophon

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