Corona-Auflagen für die Kultur: "Es geht um den Bildungsauftrag"

Die Testpflicht vor dem Besuch von Museen und Theatern sorgt für einen Besucherschwund.
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Wenn nur ein Viertel der Plätze besetzt werden darf, wird es im Theater ungemütlich.
Wenn nur ein Viertel der Plätze besetzt werden darf, wird es im Theater ungemütlich. © RBR

Der Advent ist die musikalischste Zeit des Jahres - und zwar aktiv wie passiv, unter Laien wie unter Profis. In vielen Kirchen wird Bachs Weihnachtsoratorium gespielt, im Ballett der "Nussknacker" getanzt, und für viele Kinder ist die Lebkuchenoper "Hänsel und Gretel" die erste Begegnung mit dem Musiktheater. Außerdem gehören Konzertkarten für Pop, Jazz und Klassik zu den beliebtesten Geschenken überhaupt.

Nur städtische und staatliche Theater spielen noch

Vorerst bis 15. Dezember gilt für Veranstaltungen die 2G-plus-Regel: Zutritt zu Konzerten haben Geimpfte und Genesene mit tagesaktuellem Schnelltest. Außerdem darf nur ein Viertel der Plätze belegt werden. Private Veranstalter haben das meiste abgesagt, weil Konzerte, Kabarett und Theater unter diesen Bedingungen kaum wirtschaftlich durchzuführen sind. Die staatlichen und städtischen Theater spielen weiter.

Andreas Schessl von Münchenmusik hat für die Zeit von Dezember bis zum Ende der Weihnachtsferien rund 100 Veranstaltungen geplant. Davon wird wohl die Hälfte entfallen. Schessl überlegt sich bei jedem Termin genau, ob er durchführbar ist: Der Klavierabend von Beatrice Rana am heutigen Dienstag findet statt, internationale Gastspiele von Orchestern fallen aus.

Noch wird am Weihnachtsoratorium festgehalten

An den beiden geplanten Aufführungen des Weihnachtsoratoriums mit dem Bach-Chor und der Audi Jugendchorakademie will Schessl festhalten. Allerdings sind die Rahmenbedingungen derzeit noch unklar, da die bisherigen Regelungen nur bis Mitte Dezember gelten. Bis dahin ist der Veranstalter wie seine Kollegen bei den Staatstheatern mit dem Umtausch von Karten und der Kommunikation mit Kunden vollauf beschäftigt.

Das vom Staat und der Stadt bezuschusste, aber auch stark vom Kartenverkauf abhängige Münchener Kammerorchester hat seine Konzerte bis zum Jahresende abgesagt.

Anträge für Kurzarbeit laufen

"Wir hatten ernsthaft gehofft, dass die Impfaufrufe von Wissenschaft oder Politik zu einer ausreichend hohen Impfquote führen würden, um die Kultur nicht in einen neuen faktischen Lockdown zu zwingen", heißt es auf der Homepage des MKO. Das Orchester hat Kurzarbeit beantragt. Ob es für selbst abgesagte Konzerte eine staatliche Unterstützung gibt, ist unklar, denn die Anträge sind kompliziert.

Auch Andreas Schessl hofft auf Mittel aus der staatlichen Überbrückungshilfe. Freiberufliche Musiker und viele andere Selbstständige im Veranstaltungsbereich werden ebenfalls wieder Formulare ausfüllen müssen. Und die Politik sollte sich mit Nachbesserungen beeilen, weil die Hilfen oft bis zum Jahresende befristet sind.

Aus den Staatstheatern ist zu hören, die Nachfrage nach den nicht allzu vielen Karten sei "ganz gut". Es gibt Besucher, die sich von nur zu einem Viertel gefüllten Häusern nicht abschrecken lassen, andere vermissen das Gemeinschaftserlebnis. Manche schreckt das Schlangestehen vor Teststellen ab, allerdings hat seit kurzem wieder der zentral gelegene Theatertest auf dem Marstallplatz geöffnet, was zumindest den Besuch der Staatstheater erleichtert.

Auch Museen haben nur noch wenige Besucher

Über schwindende Besucher klagen vor allem die Museen. "Es kommen nur noch ungefähr 150 Besucher am Tag, statt vorher um die 700 für die aktuelle Ausstellung "Fantastisch real", sagt Roger Diederen, Direktor der Kunsthalle München. "So können wir die Tageskosten für das Aufsichts-, Kassen- und Garderobenpersonal nicht mehr decken, geschweige denn die Ausstellungskosten." Die bisher täglich geöffnete Kunsthalle bleibt daher von Montag bis Mittwoch geschlossen und kann nur noch von Donnerstag bis Sonntag zwischen 12 und 19 Uhr besucht werden.

Im Deutschen Museum hat sich die Zahl der Besucher seit der Einführung von 2G plus etwa halbiert. "Wir können aber nicht sagen, ob das an der neuen Regelung liegt oder daran, dass die Menschen wegen der hohen Inzidenzen einfach vorsichtiger werden", sagt Museumssprecher Gerrit Faust. "Wir werden das Haus geöffnet halten - es geht bei uns darum, einen Bildungsauftrag zu erfüllen."

2G-Regel für Ausstellungen?

Diederen wünscht sich eine 2G-Regelung für die Museen. Ob die allerdings kommt? In dieser Woche werden neue Regeln erwartet. Mit Lockerungen rechnet niemand. Das Staatsschauspiel setzt immerhin ein optimistisches Zeichen und bespielt den derzeit geschlossenen Marstall wieder.

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Schessl geht derzeit auch juristisch gegen die Corona-Regeln des Freistaats vor. Er hat Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof erhoben. Konkret stößt Schessl sich an einer "Schlechterstellung der Konzerte gegenüber der Gastronomie".

Manche Regeln scheinen widersinnig

Tatsächlich drängt sich der Eindruck auf, als lege die Politik beim besonders leicht kontrollierbaren Veranstaltungsbereich besonders strenge Maßstäbe an. Das wirkt widersinnig, weil diverse vom Staat in Auftrag gegebene Gutachten übereinstimmend festgestellt haben, dass der Theater- und Konzertbesuch weitgehend gefahrlos ist. Vermutlich wäre, wenn es nicht primär um die Symbolwirkung ginge, eine Belegung von 50 Prozent der Plätze und ein Verzicht auf den tagesaktuellen Test vertretbar.

Andere Bundesländer zur Orientierung?

Neue Regeln anderer Bundesländer könnten dabei vorbildhaft wirken. "Museen sind nicht nur kulturelle, sondern insbesondere auch soziale Orte", sagt Frauke von der Haar, die Direktorin des Stadtmuseums. "Wir haben lange darum gekämpft, die Museen wieder öffnen zu dürfen. Wünschenswert wäre es, wenn sich Bayern dem Vorbild aus Baden-Württemberg und Niedersachsen anschließen könnte. Hier brauchen geboosterte Menschen bei 2G plus keinen Test mehr, wenn sie ins Museum gehen."

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