Cornelia Funke: "Zu gehorchen, ist nicht immer richtig"
"Guillermo del Toro ließ von seinem Manager anfragen, ob ich bereit wäre, aus seinem Film einen Roman zu machen", erzählt Schriftstellerin Cornelia Funke (60). Und der Grundstein einer wahrlich fantastischen Zusammenarbeit war gelegt. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news berichtet die deutsche Geschichtenerzählerin nun davon, wie sie den Film des Oscar-prämierten del Toro (54), "Pans Labyrinth", in ihre Welt der geschriebenen Worte geholt hat. Welche Herausforderungen auf sie gewartet haben. Und welche Lehren sie ganz persönlich aus ihrem neuen Werk "Das Labyrinth des Fauns" ziehen konnte.
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Was war für Sie die größte Herausforderung dabei, aus einem Film ein Buch zu machen?
Cornelia Funke: Dass der Film, den ich in Worte verwandeln sollte, so gut ist. Unvergesslich in seiner Bildsprache, verstörend und verzaubernd zugleich. Wie macht man aus solchen Bildern Worte? Und würde ich die Gedanken der Figuren richtig lesen können? Denn ich würde sie ja beschreiben müssen. Außerdem musste ich zum ersten Mal einen großen Roman in Englisch schreiben, schließlich wollte ich Guillermo ja Arbeitsproben schicken können.
"Pans Labyrinth" ist nach eigenen Angaben Ihr Lieblingsfilm. Waren Sie eingeschüchtert, als Sie auf dessen Schöpfer getroffen sind?
Funke: Das ist nicht das richtige Wort. Aufgeregt! Dankbar, einen meiner kreativen Helden zu treffen. Den Schöpfer des Films, dessen Poster an meiner Schreibhauswand hing. Weil es mich daran erinnert, was für ein mächtiges Instrument Fantasie sein kann, um unsere Wirklichkeit in all ihrer Komplexität und Rätselhaftigkeit darzustellen.
Wie lief die Zusammenarbeit letztendlich ab?
Funke: Wir haben uns für das Faun-Projekt zu einem langen Abendessen getroffen, bei dem ich ihm ein paar wenige Fragen gestellt habe, die mir zeigen sollten, ob ich seinen Film richtig lese. Als ich an seinem Lächeln sah, dass das der Fall ist, konnte es beginnen.
Del Toro hatte also nichts zu bemängeln?
Funke: Ich habe ihm natürlich die ersten Kapitel zum Lesen geschickt. Er mochte sie, aber er wollte, dass ich mit dem Material spiele. Als ich ihm sagte, dass ich den Film zu sehr liebe, um auch nur eine Sekunde daran zu ändern, sah er so enttäuscht aus, dass ich schließlich vorschlug, zehn Kurzgeschichten zu schreiben, zu Schlüsselelementen des Films. "Ah, Zwischenspiele!", hat er mit einem Lächeln gesagt. Und als ich ihm die erste schickte, kam als E-Mail zurück: "Fliege mit silbernen Flügeln weiter".
Welche Eigenschaften schätzen Sie an dem mexikanischen Regisseur?
Funke: Seinen tiefen Humanismus. Seine leidenschaftliche Liebe zu den etwas Anderen, den Schwachen, den Weichen, den stillen Helden. In "Pans Labyrinth" sind es nicht nur Ofelia, sondern auch der Doktor, der den eigenen Tod in Kauf nimmt, um einem anderen Menschen Schmerz zu ersparen und Mercedes, die dasselbe Risiko eingeht, um das Böse, das sie jeden Tag sieht, zu besiegen. Guillermo del Toro lässt niemals einen Zweifel daran, auf wessen Seite er ist. Er zeigt das Böse als verkrüppelt und schal, nichts von dem Blödsinn, dass es interessanter und glamouröser als das Gute ist.
Nun gibt es in seinem Film durchaus Szenen, die sehr brutal sind. Wie viel davon durfte in Ihrem Buch auftauchen?
Funke: Alles. Ich habe Harper Collins, dem Verlag, der das Lektorat beaufsichtigte, von Anfang an gesagt, dass ich nichts, absolut nichts ändern würde, da ich den Film so bewundere. Und dort hat man das durchweg unterstützt und mich nicht einmal gebeten, etwas abzumildern. Die Grausamkeit, die Guillermo zeigt, wird ja nicht dargestellt, um sie zu verklären oder um Schockmomente zu liefern. Sondern um die Wahrheit zu zeigen. Guillermo del Torro zeigt den Terror und die Schönheit dieser Welt.
Sie sagen, dass "Das Labyrinth des Fauns" Sie unheimlich viel gelehrt habe. Was meinen Sie damit?
Funke: Es hat mir unendlich viel übers Schreiben beigebracht. Ich musste mich nicht damit abgeben, eine Geschichte zu spinnen, sondern konnte mich ganz auf die sprachliche Umsetzung konzentrieren. Das war sehr spannend. Und die Geschichten kamen dann ganz von selbst. Außerdem sind die Lektionen des Films immer wieder unvergesslich: Dass wir unser Schicksal dadurch bestimmen, welchen Weg wir im Labyrinth des Lebens wählen und für welche Werte und Ziele wir einstehen. Dass wir Opfer in Kauf nehmen müssen, um wahre Menschlichkeit zu beweisen. Und dass es nicht immer richtig ist, zu gehorchen.
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