Cocktail für viele Leichen
Volkstheater: Nico Holonics brilliert als Shakespeares Richard III. in Christian Stückls Regie
Serviert wird das Hirn des Verräters mit einer leichten Vinaigrette aus Lavendelmus. Der Lebensmensch des Schurken würzt mit der Pfeffermühle nach, doch dem Kardinal will es nicht schmecken. Minutenlang kämpft er mit dem Ekel, ehe er endlich hinausstürzt und seinen gereizten Magen erleichtert.
Im Antlitz des von Thomas Kylau verkörperten geistlichen Herrn ereignet sich eine tragikomische Farce, die Christian Stückl im Geist von Shakespeares Volkstheater hinzuerfunden hat. Immer wenn sich die Inszenierung vom Text löst und eigenen Bildern vertraut, wird alles gut. Und je weiter der Abend voranschreitet, ist das umso öfter der Fall: Die Schaukel wird zum zentralen Symbol, auf dem Richard mit Königin Anne auf dem Höhepunkt der Macht pendelt, bis zuletzt der Kardinal im Schlachtendunst dem kindlichen Usurpator Richmond die Trance der Macht nahebringt.
Erinnerungen an Alfred Hitchcock
Ab dem ersten Auftritt spielt Nico Holonics alle an die Wand. Das darf bei diesem Stück so sein. Richard III. ist bei Stückl ein zynischer Spieler, der ausprobiert, wie weit er kommt. Im dunklen Anzug, mit Uhrkette und schwuler Ausstrahlung gemahnt er an den Möchtegern-Übermenschen aus Alfred Hitchcocks „Cocktail für eine Leiche“, der den Mord als blasierte Kunst der Beredsamkeit zelebriert.
In der bringt es Richard ziemlich weit. Für den finalen Zusammenbruch des Königs findet Stückl ein aufregendes Bild der Vergeblichkeit: Nach der Abschlachtung Buckinghams zündet das blutbeschmierte Feuerzeug Richards nicht mehr, obwohl es wütend auf den Boden geschlagen noch immer Funken sprüht.
In der klassischen Übersetzung von August Wilhelm Schlegel
Die mit einer Spur Umgangsdeutsch gewürzte Schlegel-Übersetzung bewahrt die Aufführung trotz Handy und gegenwärtiger Kostüme vor Aktualisierungs-Effekten aus dem Regietheaterschlussverkauf. Misslungen sind allein wild fluchende Geistersekunden der am Schlamassel nicht unschuldigen Königinwitwe (Ilona Grandke): In Unkenntnis des Splatterdramas „Heinrich VI.“ versteht man kaum, was die nervige Alte umtreibt. Da hätte die Regie nachhelfen müssen. Das Shakespeare-Vergnügen mindert es kaum.
Robert Braunmüller
Volkstheater: Wieder heute, Samstag, sowie am 4., 5., 11., 12., 23. und, 25. Dezember. Karten unter Tel. 523 46 55
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