Charmanter Flirt: Circus Ronaldo
Die flämische Artistengruppe auf dem Tollwood
Irgendwann im Zirkuswirbel ist der rote Vorhang nicht mehr zu halten. Jemand stolpert und fällt in den schweren Stoff, der Manege und Backstage-Bereich trennt. Die Show ist das Leben, das Leben die Show, nun auch räumlich – so erzählt es die flämische Artistengruppe mit Circus Ronaldo. Mit den ersten Tönen der Zirkusband beginnt ein zweigeteilter Einlass: die Hälfte des Publikums nimmt auf den Rängen vor der Manege Platz, die andere sichtgeschützt dahinter: Hier roter Samt und glitzernder Kristalllüster, dort Kulissenwirrwarr und Laster.
„Circenses“, die Spiele, heißt das Programm der belgischen Companie, die mit Temperament und Tempo ein kleines Gesamtkunstwerk vollbringen. Während in der Manege Seiltanz und Messerwerfen dargeboten wird, kommt es hinter dem Vorhang zu Ränkespielen und Eifersuchtsdramen. Das Lachen und Klatschen des Publikums wechselt dabei unvorhersehbar die Seiten und weckt Neugier oder irritiert. Worüber die da drüben wohl lachen? Die Artisten zaubern poetische Momente, ohne Worte, in denen Kunststück und Szenenspiel dank präziser Musik- und Körpersprache verschmelzen.
Vor und hinter dem Vorhang geht auch so manches schief, doch die lustvolle Dekonstruktion der klassischen Manegenkunst verwickelt die Zuschauer in einen charmanten Flirt. So auch am Schluss, wenn der Vater mit dem Sohne im fahlen Gegenlicht einer verwüsteten Manege dem Akkordeon letzte Töne entlockt.Lisa Kassner
Tollwood, Theaterplatz, Sa, So und Mo, jeweils 19.30 Uhr