„Carmen“ und poliertes Katzengold

Heile Opernwelt: Elina Garancas Arienabend in der Philharmonie
von  Abendzeitung

Heile Opernwelt: Elina Garancas Arienabend in der Philharmonie

Vor Beginn und nach der Pause ließ sie sich wegen einer Erkältung entschuldigen. Zu hören war davon nichts: Auch eine indisponierte Elina Garanca singt mehrere Klassen besser als viele gesunde Mezzosopranistinnen. Ihr gelang, was wenige schaffen: Sie füllte die Philharmonie mit ihrer Präsenz.

Sogar in der hinteren Reihe des Mittelblocks G ist ihre unforcierte Stimme ein sinnliches Erlebnis. Der erste Teil galt dem Belcanto: Mit erlesener Gesangskultur und klaren Linien verlieh sie den Figuren ein individuelles Profil. Die Garanca ist kein „kurzer Sopran“ ohne Höhe, sondern ein echter Mezzo mit enormem Stimmumfang und ausgeglichenen Registern. Besonders gelangen ihr die Selbstzweifel in der Arie der Elisabetta aus Donizettis „Maria Stuarda“ und die im französischen Original gesungene Romanze aus „Dom Sébastian“. Den fehlenden androgynen Touch bei Bellinis Romeo macht sie durch präzise Koloraturen und unangestrengte Spitzentöne wett, die sie mit erstaunlicher Kraft in den Raum schleudert.

Auch der Ehemann ist nicht zu verachten

Auf das polierte Katzengold spanischer Zarzuelas folgten drei Szenen aus Bizets „Carmen“. Wer in dieser Rolle gutturale Altistinnen vorzieht, mag die Garanca kühl nennen. Sie ist weder gurrende Tragödin noch verhinderte Chansonette, sondern eine singende Carmen aus dem Geist der Opéra comique. Von gleitenden Portamenti in der Habanera abgesehen, gab es keinerlei Mätzchen. Trotzdem schlug die Sängerin in Bann.

Da war die Opernwelt einmal wirklich in Ordnung. Sogar die obligatorischen Ouvertüren wurden nach überwundener Anfangsnervosität von der Neuen Philharmonie Westfalen höchst kultiviert dargeboten. Karel Mark Chichon ist mehr als der Gatte der Sängerin: Mindestens ein solider Kapellmeister, der Italienisches und Französisches nicht über einen Kamm schert. Vielleicht aber auch mehr. Herzliche Begeisterung und nur eine, der Indisposition geschuldete, Zarzuela-Zugabe.

Robert Braunmüller

Elina Garancas CD „Bel Canto“ bei der Deutschen Grammophon

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