Kritik

Busse und Pustišek: "Das Abschiedsdinner"

In der Komödie im Bayerischen Hof ist das französische Stück von Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière
von  Anne Fritsch
Doch keinletzter Abend? Martin Semmelrogge als Nervensäge (li.), Mariella Ahrens als Ehefrau und Marko Pustischek als ihr Mann.
Doch keinletzter Abend? Martin Semmelrogge als Nervensäge (li.), Mariella Ahrens als Ehefrau und Marko Pustischek als ihr Mann. © Dennis Häntzschel

Irgendwie kennt das wohl jeder: Auf einmal ist ein Freund oder eine Freundin nicht mehr da. Jahre- oder jahrzehntelang verbrachte man gute und schlechte Zeiten mit einander, dann herrscht auf einmal Funkstille. Manche beenden die Freundschaft durch feiges Ghosten, sind also von einem Tag auf den anderen plötzlich nicht mehr erreichbar. Andere verschwinden einfach nach und nach in der Versenkung.

Geht auch anders, denkt sich Pierre, und schlägt seiner Frau Clotilde vor, ganz bewusst im Freundeskreis auszumisten, die eigene Lebenszeit nicht mehr mit Menschen zu "verschwenden", mit denen man sich nichts mehr zu sagen hat. Aber der letzte gemeinsame Abend soll zelebriert werden: mit Lieblingsessen, teurem Wein und guten Erinnerungen: Sowas wie eine Beerdigung zu Lebzeiten, meint Pierre, ein feierliches Abschiednehmen. Danach werden Pierre und Clotilde einfach "nie mehr Zeit haben" für die Ausgemisteten. Einziger Haken: die Verabschiedeten wissen nicht, dass das ein Abschied ist.

Die französischen Komödienspezialisten Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière, die mit "Der Vorname" bewiesen haben, dass sie die Mechanismen der Aufdeckungskomödie exzellent beherrschen, haben mit "Das Abschiedsdinner" ein feinsinniges Stück über das Wesen - und Unwesen - der Freundschaft geschrieben. In der Komödie im Bayerischen Hof hatte nun die Inszenierung von Jochen Busse und Marko Pustišek Premiere, die zuvor am Theater an der Kö in Düsseldorf lief. Pustišek selbst spielt den Pierre, Mariella Ahrens seine Frau Clotilde und Martin Semmelrogge den Freund Antoine, der als erster in den Genuss eines Abschiedsdinners kommt.

Und ja: dieses egozentrische Energiebündel, das Semmelrogge da mit einer leichten Selbstverständlichkeit spielt, die den beiden anderen vor allem im ersten Teil abgeht, kann einem schon auf die Nerven gehen. Wie er sich selbst bemitleidet, weil sein Psychoanalytiker an Krebs gestorben ist. Wie er ausgiebig das sechsstündige Theater-"Happening" beschreibt, das seine Frau Bea vom Erscheinen abhält. Wie er abtanzt zu seiner Lieblingsmusik, Clotilde ganz selbstverständlich die Hand auf den Oberschenkel legt und von seinem "Sohn aus dem Senegal" erzählt, den er adoptieren will. Ist schon recht viel an ungefragter Information und Nähe, die da aus ihm herausquillt.


Doch wie das im Leben halt so ist: Manchmal wird etwas am schönsten, wenn es zu Ende geht, und in manchen Abschied mischt sich unerwarteter Trennungsschmerz. Antoine jedenfalls startet, als er begreift, was hier gespielt wird, eine Therapiesitzung der anderen Art, um die Freundschaft zu retten. Nun - im zweiten Teil - nimmt das Stück an Fahrt auf, und auch die Dynamik auf der Bühne wird eine andere, die Lockerheit nimmt zu, die Verkrampftheit des ersten Teils ab. Pierre und Antoine tauschen die Rollen, karikieren einander und hauen alles raus, was sie sich schon immer sagen wollten. Ein kathartischer Schlagabtausch nimmt seinen Lauf, aus der Verlogenheit des Abschiedsdinners erwächst allmählich die Aufrichtigkeit eines Neuanfangs.

Wie sagt Pierre noch so treffend: "Wenn man verschieden ist, ist man tot." Unterschiedlich aber kann man ruhig sein, das macht, wie man hier erleben kann, das Leben einfach ein bisschen bunter. Anne Fritsch

bis 14. August, Karten: www.komoedie-muenchen.de

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.