Interview

Rainer Bock über Hanns Dieter Hüsch: "Ich bin ein jüngerhafter Verehrer"

Schauspieler Rainer Bock gestaltet mit dem Physiker Harald Lesch einen Abend über Hanns Dieter Hüsch.
von  Volker Isfort
Der vor zwanzig Jahren gestorbene Kabarettist Hanns Dieter Hüsch.
Der vor zwanzig Jahren gestorbene Kabarettist Hanns Dieter Hüsch. © imago images / United Archives

Vor zwanzig Jahren starb der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch, aber für den Münchner Schauspieler Rainer Bock ist er ein Philanthrop, dessen Texte unbedingt auch heute noch Gehör finden müssen. Deswegen hat er gemeinsam mit dem Physiker Harald Lesch einen Abend mit Hüsch -Texten gestaltet.

AZ: Herr Bock, wenn man wie Sie in Kiel aufwächst, hat man nicht unbedingt Kontakt zu den Texten von Hanns Dieter Hüsch, dem „schwarzen Schaf vom Niederrhein“, oder?
RAINER BOCK: Doch. Meine Familie ist seit Urzeiten erzsozialdemokratisch sozialisiert. Mein Vater hat sich zur Fußball-WM 1954 einen Fernseher gekauft und TV-Kabarett gehörte zum festen Bestandteil der Erziehung. Die Kabarettsendungen hatten mich schon als Kind fasziniert und so kam auch Hanns Dieter Hüsch in meinen Erfahrungsbereich. Live habe ich ihn dann erstmals Anfang meiner Zwanzigerjahre gesehen.

"Hüschs Texte sind auf erstaunliche Weise zeitlos"

Die Zeit scheint ein bisschen über Hüsch hinweggefegt zu sein, er wäre dieses Jahr 100 geworden.
Hüsch ist nie ein tagespolitischer Kabarettist gewesen, er hat humanistisch-philosophische Texte geschrieben, die auf erstaunliche Weise zeitlos sind. Harald Lesch und ich stellen fest, dass Menschen, die zu unserer Veranstaltung kommen, richtig selig sind, diese Texte mal wieder zu hören. Nicht, weil wir sie sprechen, sondern weil die Texte so gut sind. Und wenn sich ein paar junge Menschen zu uns verirren, sind die oft überrascht, wie hochaktuell er heute noch klingt. Für mich ist er ein absoluter Philanthrop, man spürt in jeder Zeile, wie sehr er die Menschen liebt.

Der vor zwanzig Jahren gestorbene Kabarettist Hanns Dieter Hüsch.
Der vor zwanzig Jahren gestorbene Kabarettist Hanns Dieter Hüsch. © imago images / United Archives

Was macht Hüsch für Sie so aktuell?
Hüsch war von Anfang an ein Kämpfer gegen den Faschismus. Wir entdecken gerade weltweit eine Tendenz zu rechtem Gedankengut. Ich meine damit nicht rechts in der alten, klassischen Bundestagsaufteilung, sondern wirklich im radikalen neonazistischen Sinn. Das ist doch sehr besorgniserregend. Hüsch hat Zeit seines Lebens seine Stimme dagegen erhoben.

Eine Theaterprobe mit Harald Lesch 

Woher wussten Sie, dass Harald Lesch Ihre Leidenschaft für Hüsch teilt?
Das ist ein Programmpunkt, den ich jetzt ein bisschen spoiler: Ich bin 2001 nach München gekommen und habe als erste Produktion im Residenztheater in „Drei Mal Leben“ von Yazmina Reza mitgespielt. Es geht um zwei Ehepaare und die Männer sind beide Astrophysiker. Wir lagen bei den Fachtermini brach, ich kann heute noch kein Schwarzes Loch erklären. Zur Leseprobe hat unser Regisseur den damals noch in der Öffentlichkeit unbekannten Harald Lesch, Professor für Astrophysik, eingeladen. Er hat uns alles wunderbar erklärt, es war eine hochvergnügliche Leseprobe. Jahre später habe dann ein Interview mit Lesch gelesen, in dem er sich als Hüschianer outete. Ich habe ihn kontaktiert und wir hatten dann bald die Idee, dass wir doch gemeinsam etwas gestalten sollten, weil wir wirklich jüngerhafte Verehrer sind. Wir haben dann unser Programm im Nullkommanix aus der Hüfte geschossen.

Erstaunlich.
Na ja, so war es leider auch nicht. Wir sind beide viel unterwegs und haben volle drei Jahre gebraucht, um den Abend zusammenzustellen. Premiere war dann im vergangenen Oktober im Künstlerhaus am Lenbachplatz.

Der Astrophysiker Harald Lesch.
Der Astrophysiker Harald Lesch. © IMAGO/Jürgen Heinrich

Nun gibt es einen Auftritt im Rahmen des Fünf Seen Filmfestivals in Starnberg.
Ich bin als Ehrengast eingeladen, es gibt eine kleine Retrospektive meiner Arbeit mit vier Filmen. Und ich konnte Festivalleiter Matthias Helwig überzeugen, dass wir noch eine Hüsch-Lesung integrieren. Wir sind auch bald in der Bar jeder Vernunft in Berlin und zwei Mal im Mainzer Unterhaus.

Also in Hüschs „Wohnzimmer“.
Ja, und beide Veranstaltungen sind seit Wochen ausverkauft. Das freut mich sehr, weil ich die Sorge hatte, dass die Menschen, die das Original so gut kannten, gar kein Interesse an den „Nachlesern“ hätten.

Beim Fünf Seen Filmfestival erhält Leonie Benesch den Hannelore- Elsner-Preis. Sie haben mit ihr in Michael Hanekes „Das weiße Band“ zusammengearbeitet. Da war sie 18 Jahre alt und hatte noch gar keine schauspielerische Ausbildung . Haben Sie ihr Talent damals sofort erkannt?
Leonie ist ein Naturtalent. Das hat man sofort gespürt: diese Anmut, diese Naivität - nicht zu verwechseln mit Dummheit. Sie verfügte über diese wunderbare Art, mit großen Augen in die Welt zu schauen und es niemals plump wirken zu lassen, sondern ganz bezaubernd und emotional einnehmend. Und dass sie darüber hinaus nach ihrer Ausbildung noch zu ganz anderen Dingen in der Lage ist, hat sie nun mehrfach erfolgreich bewiesen. Ich gratuliere ihr sehr herzlich zu dieser Auszeichnung!

Rainer Bock (links), Leonie Benesch, Burghart Klaussner, Regisseur Michael Haneke, Susanne Lothar und Christian Friedel, bei der Filmpremiere von „Das weisse Band“ 2009.
Rainer Bock (links), Leonie Benesch, Burghart Klaussner, Regisseur Michael Haneke, Susanne Lothar und Christian Friedel, bei der Filmpremiere von „Das weisse Band“ 2009. © IMAGO/Berlinfoto

Nach dem Film war er in Hollywood gefragt

„Das weiße Band“ war auch für Sie nicht ein Film unter vielen.
Im Theater hatte ich damals schon meinen Platz gefunden, aber „Das weiße Band“ war mein filmischer Durchbruch. Das habe ich Michael Haneke und vor allem seiner Castingdirektorin Simone Bär zu verdanken. Sie hatte mich in „Onkel Wanja“ am Residenztheater gesehen, dann Haneke empfohlen und ihm das Video der Inszenierung gezeigt. Er hat mich daraufhin zum Casting eingeladen und es war mein großes Glück, dass er sich dann für mich entschied.

Der Film hat Ihre internationale Filmkarriere initiiert. Wie ist das eigentlich, wenn man als gestandener Schauspieler auf Spielberg, Tarantino, de Palma stößt, ist man dann nicht doch ein bisschen aufgeregt?
Natürlich war ich da aufgeregt. Das sind Ikonen, Legenden, zutiefst von mir bewunderte Künstler! Mit Tarantino war es mehr eine kurzfristige Begegnung, die Arbeit mit Spielberg war hingegen sehr intensiv und auch sehr persönlich, eine Riesenfreude. Es ist ein schrecklicher Begriff, aber er hat mich immer auf Augenhöhe behandelt. Er kann unglaublich gut zuhören, ist geradezu von einer kindlich-erwachsenen Naivität und verfügt über einen wunderbaren Humor.

Als die AZ Ihnen vor über zwei Jahrzehnten den Stern des Jahres verlieh, lobten wir besonders Ihr Talent für humoristische Darstellung. In Ihren Filmen tragen Sie oft Uniformen und verkörpern autoritäre Charaktere. Haben die Regisseure Ihr komisches Potenzial nicht erkannt?
Ich muss noch einmal auf Spielberg zurückkommen. In einer Drehpause stand ich mit ihm auf einer Wiese herum, wir warteten, er rauchte seine unvermeidliche Havanna und meinte urplötzlich: „Rainer, hast Du jemals Komödie gespielt?“. Ich sagte ihm, doch, im Theater schon, aber noch nie im Film. Er machte dann eine Pause, blickte mich lange an und sagte: „You have to.“

Rainer Bock und Harald Lesch lesen Hüsch, 14. September 2025 in der Schloßberghalle Starnberg, 20 Uhr und im Lustspielhaus München 9. Februar 2026;
Vorführung „Das weiße Band“ mit anschließendem Filmgespräch mit Leonie  Benesch und Rainer Bock: Kino Breitwand Gauting, 13. September 2025, 10.30 Uhr

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